Seit halb fünf bin ich auf den Beinen. Zu Hause sind wir zwar mit einer halben Stunde Verspätung losgefahren, aber hier in der Marina Lagunenstadt Ückermünde sind wir trotz dem eine halbe Stunde eher angekommen als geplant. So haben wir gute Chancen, uns in Ruhe das Spiel Deutschland - England anschauen zu können. Vorher ist Slippen, Aufriggen und Einräumen angesagt.
Der Slip ist herrlich breit, so dass er auch von 2 oder 3 Leuten gleichzeitig benutzt werden könnte. Das Auto kann man für die Zeit des Umladens direkt neben dem Boot parken, so dass das Einräumen des Gepäcks ins Boot schnell geschafft ist. Wo ich im Boot allerdings nun noch schlafen soll, weis ich nicht, die Kinder haben ihre Schlafplätze sauber freigehalten, nur meine Liegefläche ist mit Schwimmwesten, Klamottenbeuteln und anderem Kram belegt.
Das erste Hafenmanöver, das Ablegen vom Slipkai und einparken in die nächste freie Box, misslingt spektakulär: Ich will eine Kurve fahren, doch da ich das Schwert noch oben habe, treiben wir erst einmal hilflos seitlich ab, ins flache. Hier geht weder Schwert runterkurbeln, noch Motor benutzen, also erst mal verholen ins halbwegs Tiefe. Der Wind treibt uns immer wieder zurück.
Endlich in der Box, ist erst mal Fußball angesagt. DVB-T-Empfang ist nicht, deshalb gehen wir in den „Dösbaddel“, ein Freiluftimbiss, gleich auf der anderen Seite des Hafenbeckens. Deutschland gewinnt 4:1.
Anschließend gehen wir noch ans Haff baden. Das Wasser ist herrlich warm.
Montag, 28.06.2010
Am nächsten Morgen laufe ich noch mal nach Ueckermünde rein, Brötchen einkaufen, und andere Dinge die wir vergessen haben: Milch, Paniermehl (die Kinder wünschen Gemüse in Butter angebraten mit Semmelbröseln), 3 Zahnbürsten (nur Wiebke hat ihre selbst eingepackt), Shampoo und Duschbad.
Nach dem Frühstück, herrlich in der Sonne sitzend, wollen die Kinder noch mal baden. Danach geht es endlich los. Unter Motor raus aufs Haff und gleich die Segel gesetzt. Der Wind ist zum Eingewöhnen ideal, etwa 2 Bft. aus nördlicher Richtung. Erst mal gerade raus kreuzen, dann Richtung Westen, wo in der Ferne schon die Reste der Karniner Hubbrücke zu sehen sind.
Die Kinder wollen schon wieder baden, kein Problem: Die Segel runter, der Anker rauscht ins Wasser. Auch hier ist das Wasser herrlich warm, ich schwimme ums Boot, die Mädchen üben Kopfsprung. Zum Boot haben wir vom Vorbesitzer eine Badeleiter erhalten, ich mit meinen 64 kg bin allerdings zu schwer dafür, dank der Abrisskante am Heck kommt man aber auch so ganz gut zurück ins Boot.
Weiter geht es, der Wind ist gut, wir machen 3,5 Knoten Fahrt. Der nächste, für uns günstig gelegene Hafen ist Karnin, gleich neben der ehemaligen Eisenbahnbrücke. Für mich ist es die erste Einfahrt in einen mir unbekannten Hafen mit diesem Boot. Schon etwas aufregend, besonders weil mein 2,5 PS-Motor bei langsamer Fahrt zum aus gehen neigt. Aber es ist kaum Wind, alles geht gut und wir schieben uns in eine der vielen freien Boxen.
Wir bezahlen die Liegegebühr beim Hafenmeister und essen noch ein Eis. Viele Infotafeln im Hafen geben Auskunft über die Geschichte der Karniner Hubbrücke und der Eisenbahnlinie. Die Kinder möchten noch mal baden. Das ist hier etwas schwierig, aber nach einigem Suchen finden wir in einem Wäldchen einen Zugang zum Wasser. Lange halten wir es hier aber nicht aus, da die Mücken in Scharen über uns herfallen.
Dienstag, 29.06.2010
Brötchen bekommt man hier auf Bestellung direkt ans Boot geliefert. Nach einem weiteren Frühstück unter blauem Himmel geht es weiter, mangels Wind vorerst unter Motor. Anna erhält Unterricht in Navigation, praktisches Anschauungsmaterial in Form von Bojen und Peilzeichen ist reichlich vorhanden. Die Zecheriner Brücke unterqueren wir mit gelegtem Mast, auf die Brückenöffnung hätten wir eine Stunde warten müssen, fürs Mastlegen müssen wir nicht mal anhalten. Manchmal ist es halt auch ein Vorteil, wenn man ein kleines Boot hat.
Nach einer weiteren Badepause versuchen wir es noch mal mit Segeln. Ab der Einfahrt zum Achterwasser ist allerdings wieder der Motor dran, da die Einfahrt mit Untiefen und das Achterwasser selbst mit reichlich Netzen gespickt sind. Letztere sind meist schlecht gekennzeichnet, meist nur die Enden mit einer doppelten Netzfahne. Bei einem Gewirr aus 5 bis 7 doppelten Netzfahnen weis man dann nicht, welche zu welcher gehört. Normalerweise sollte in der Richtung, in der sich das Netz erstreckt, noch ein Schwimmkörper oder eine einfache Netzfahne sein, das ist hier nirgends der Fall.
So kommt es, wie es kommen muss: Irgendwann hängen wir im Netz fest. Es geht weder vor noch zurück. Das Schwert hochkurbeln geht auch nicht mehr, wahrscheinlich hat sich das Netz drum gewickelt. Der Wind hat inzwischen aufgefrischt, es sind Wellen, alles in allem eine unangenehme Situation.
Trotzdem habe ich ein etwas schlechtes Gewissen, als ich mich schließlich unter Zuhilfenahme des Messers befreie.
Der Hafen von Zinnowitz ist nicht benutzbar, wie ich beim Näherkommen feststelle, hier wird gebaut. Im Hafenhandbuch war davon die Rede, allerdings stand noch kein Termin fest. Versuchen wir es also in Zempin. Die Einfahrt ist sehr flach, ich drehe das Schwert hoch, bis auf einen kleinen Rest. Wenige Meter vor der Einfahrt bleibt der Motor stehen. Da er das öfter macht, denke ich mir nichts dabei. Gang raus, er springt sofort wieder an. Etwas Gas, Gang rein, aus.
Den Motor aus dem Wasser. Um die Schraube hat sich ein Netz gewickelt. Wo kommt das hier her? Dank der Tatsache, dass ich das Schwert nicht ganz hoch geholt habe, treiben wir nicht ins Schilf. Wir dümpeln quer vor der Hafeneinfahrt und sind scheinbar eine willkommene Abwechslung: in einiger Entfernung auf der Bank bei der Hafeneinfahrt sammeln sich immer mehr Leute.
Mit dem Taschenmesser beginne ich die Schraube zu befreien. Schneiden. Abwickeln. Schneiden. Abwickeln…
Endlich ist die Schraube frei, bewegen tut sie sich allerdings keinen Millimeter. Den Spalt zwischen Schraube und Getriebe habe ich von außen von Netz befreit, so gut es geht. Aber eben nicht vollständig. Also Schraube abbauen.
Ich biege den Splint, der die Schraube auf der Achse hält, auf. Er rührt sich nicht, die Schraube wird durch die Netzreste nach außen gedrückt, das hält ihn fest. Zum Glück habe ich reichlich Werkzeug eingepackt. Mit Zange, Hammer und Schraubenzieher habe ich den Splint nach einer Viertelstunde draußen. Unter der Schraube ist noch einmal ein dicker Klumpen Netz auf der Welle, schön verschmolzen. Mit der Eisensäge kann ich ihn beseitigen. Und nun endlich dreht sich die Welle wieder.
In der Welle steckt noch ein verbogener Scherstift. Den will ich nicht weiter benutzen, wer weiß, ob der noch lange hält. Also säge ich eins der verbogenen Enden ab, schlage ihn raus und kann nun endlich wieder die Schraube montieren.
Wir fahren, allerdings nicht in den Hafen, sondern weiter, Richtung Koserow. Von diesem Hafen habe ich irgendwie die Nase voll, nachdem wir hier eine dreiviertel Stunde Volksbelustigung waren.
Die Einfahrt zum Hafen von Koserow ist auch flach, aber durch Stangen gekennzeichnet. Gleich in der Einfahrt ist eine Anlegemöglichkeit, so dass wir uns erst mal zu Fuß eine Liegestelle aussuchen können.
Von einem Ehepaar, das gerade sein Boot klar macht, erhalten wir die Telefonnummer vom Hafenmeister, und von diesem dann den Schlüssel zum Sanitärraum und die Wegbeschreibung zur nächsten Pizzeria. Nach den Abenteuern dieses Tages haben die Kinder großen Hunger und ich keine Lust auf die Zubereitung des Abendessens.
Die Pizzeria ist ein ganzes Stück entfernt, am Meer, direkt am Strand, die Pizzas selbst sehr lecker. Es wird jedenfalls sehr spät, bis wir endlich alle im Schlafsack liegen.
Mittwoch, 30.06.2010
Am nächsten Morgen beschwert sich Wiebke, dass nachts Dina, unser Hund, auf ihr liegt. Anna hat sich heute mal freiwillig zum Einkaufen gemeldet, und bringt frische Brötchen.
Gegen 11 Uhr geht es wieder los, unter Segeln, Kurs Peenestrom. Da die Netze hier genau so schlecht gekennzeichnet sind, wie gestern die, auf dem Weg nach Zinnowitz, muss ich teilweise große Umwege fahren, um mit Sicherheit auszuschließen, wieder in einem Netz hängen zu bleiben. Mein schlechtes Gewissen, wegen des Losschneidens gestern, verflüchtigt sich langsam. Schließlich ist der Fischer auch verpflichtet, seine Netze ordentlich zu kennzeichnen.
Auf dem Peenestrom fahren wir wegen des Gegenwindes wieder mit Motor. Hier sehen wir auch erstmals ein ordentlich gekennzeichnetes Netz: Doppelfahne, einfache Fahne, Doppelfahne. So sieht man gleich, welche Doppelfahnen zusammengehören. Die Wolgaster Klappbrücke unterqueren wir wieder mit gelegtem Mast - wieder hätten wir eine Stunde bis zur Öffnung warten müssen.
Gleich dahinter legen wir bei der Schiffswerft „Horn“ an. Nach dem Bezahlen der Hafengebühr gehen wir Eis essen, das nächste Cafe ist nur 200m entfernt.
Wir haben unseren ersten 5-Liter-Kanister leer gefahren. Von meiner Radtour nach Zinnowitz habe ich in Erinnerung, dass es an der Bundesstraße nach Westen raus eine Tankstelle gibt. Es ist dann doch ein ganze Stück zu latschen, aber für den Greifswalder Bodden möchte ich meine 3 Kanister voll haben - man weis ja nie, was kommt. Das größte Gewässer, auf dem ich bis her mit dem eigenen Boot unterwegs war, ist die Müritz. Deshalb ist die Überquerung des Greifswalder Bodden für mich fast so etwas, wie eine Atlantiküberquerung.
Die Kinder haben in der Zwischenzeit mit dem DVD-Player „Wicki“ geschaut. Nach dem Abendessen gehen wir schlafen, der Hund muss heute zusammengeringelt neben dem PortaPotti in der „Bilge“ schlafen, damit er sich nicht wieder auf Wiebke legt.
Donnerstag, 01.07.2010
Im Yachtausrüster in der Werft kaufe ich noch einen Verklicker. Beim Kauf des Bootes war keiner dabei, und ich habe ihn beim Segeln doch vermisst. Das hier angebotene Modell passt genau in die Halterung, die noch vom Voreigener am Mast ist.
Nach dem Frühstück geht es los. Anfangs versuchen wir es noch mit Segeln, aber es ist fast kein Wind.
Unter Motor fahren wir langsam auf den Bodden. Ich habe mir umsonst Sorgen gemacht: Er liegt spiegelglatt da, wie ein Ententeich. Nix mit Atlantiküberquerung. Ruden und Greifswalder Oie scheinen durch Luftspiegelung über dem Wasser zu schweben, der Zicker Berg scheint zum Greifen nah.
Sorgsam hake ich die Bojen auf der Karte ab. Bei der geringsten Abweichung aus der Fahrrinne hat man Grundberührung, wohl dem, der ein Schwertboot hat. Teilweise fahre ich nach Kompass, die Tonnen Vierow und Greifswald sind erst beim Näherkommen auszumachen. Zwischendurch versuche ich es auch noch mal mit Segeln. Wegen des schwachen Windes habe ich heute statt der Fock mal die Genua gesetzt. Aber man kommt nicht richtig vorwärts, und so läuft bald wieder der Motor.
Wieck sieht voll aus, es sind aber doch noch einige Boxen frei. Das Anlegen ist in diesen riesigen Boxen mit unserem kleinen Boot etwas mühsam. Von den Heckleinen bringen wir beim Einfahren, wenn überhaupt, nur eine an den Pfahl. So kleine Boote wie unser „Sägefisch“ sind aber auch selten, die meisten Boote sind so um die 10 Meter lang.
Die Kinder essen erst mal Eis, ich möchte lieber am nahen Kiosk Backfisch essen. Nachdem meine Wartezeit darauf wegen der höheren Priorität der Tischgäste zum zweiten Mal verlängert wird, lasse ich mir allerdings mein Geld wiedergeben, und esse auch Eis.
Wir wollen noch mal baden gehen. Der Strand ist hier nur durch ein Bad zugänglich. Das Bad hat leider schon zu, aber uns wird ein Schleichweg ganz vorn an der Kante zum Wasser empfohlen, über den man auch rein kommt. Ganze Karawanen von Badewilligen bewegen sich hier rein und raus. Das Wasser ist flach und warm, enthält aber viel Seegras.
Auf dem Rückweg hüpft Ansgar, mein Jüngster, über die Poller. Dabei kommt er irgendwie zu dicht an den Rand, und kann gerade so noch ordentlich mit den Beinen zu erst abspringen. Plumms - ist er im Hafenbecken verschwunden. Er hat zwar das Seepferdchen, aber ich bin doch froh, als ich ihn wieder auftauchen sehe und er zum Rand schwimmt. Hier findet er auch erst mal irgendein Eisen, das aus der Spundwand ragt, zum festhalten. Zum rausklettern ist diese zu hoch, mehr als ein Meter, und mein Arm reicht auch nicht bis zu ihm hinunter.
Na ja, Badesachen habe ich ja dabei, also schnell umziehen und noch ein zweites Mal gebadet. Ich von unten schiebend, ein herbeigeeiltes Ehepaar von oben ziehend, so bekommen wir den Jungen wieder an Land. Ich selber schwimme zur nächsten Leiter.
Schnell zurück zum Boot, Ansgar friert in seinen nassen Sachen. Aber nur wenige Meter weiter tritt er in eine Glasscherbe. Zum Glück ist der Schnitt nicht groß, und er kann sich den Glassplitter selber wieder herausziehen, aber auftreten tut weh, und es kommt Dreck in die Wunde.
Also muss ich jetzt den glitschnassen Jungen tragen und so werden ich und meine Sachen auch noch nass. Ansgar wird derweil von den Mädchen zum „Pechpilz“ des Tages erklärt.
Freitag, 02.07.2010
Am nächsten Tag ist der Wind auf den ersten Seemeilen noch schwach. Doch als wir den Motor an machen, fühlt sich der Wind bei seiner Ehre gepackt, und beginnt mit über 3 Bft. aus Ost zu blasen. Das erzeugt auf dem Greifswalder Bodden schon ganz ordentliche Wellen, und so wird das doch noch unsere Atlantiküberquerung. Allerdings staune ich, wie gut sich das Boot bei diesen Wellen noch hält.
Als ich mal nach einer Boje Ausschau halten will, merke ich, dass mein Fernrohr weg ist. Krampfhaft überlege ich, wo es sein könnte, und hoffe erst mal, dass ich es irgendwo im Boot wiederfinde.
Im Strelasund werden die Wellen weniger, aber der Wind bleibt.
Mit Gummistrapsen binde ich die Paddel zusammen und baume die Genua aus. Wir machen wunderbar Fahrt, richtig schade, als ich für die Einfahrt zur Marina Neuhof die Segel runter nehmen muss. Hier gibt es Stege mit seitlichen Schwimmstegen, sehr angenehm zum Anlegen mit unserem kleinen Boot.
Es gibt einen kleinen Badestrand (die Dorfstraße Richtung Greifswald und am Ortsausgang rechts), leider sind Hunde verboten, und so muss Anna mit Dina zurück zum Boot.
Der Hafenkiosk, wo man Brötchen bestellen kann, ist mit Wegweisern ausgeschildert, aber als solcher schlecht zu erkennen.
Sonnabend, 03.07.2010
Heute wollen wir nur bis Stralsund, 6 Seemeilen, und das ist auch gut so denn wir wollen zeitig da sein: 16 Uhr beginnt das Spiel Deutschland gegen Argentinien, deshalb müssen wir die Öffnung der Ziegelgrabenbrücke gegen Mittag erwischen. Der Wind ist immer noch günstig, wie gestern, so können wir noch eine Badepause einlegen. Danach beeile ich mich, um zur Brücke zu kommen. Im Endeffekt muss ich dann doch noch fast eine Viertelstunde an einem Dalben warten, bis wir passieren können.
An den Stegen der City Marina stehen die Bootslängen, die für den jeweiligen Steg erwünscht sind. Unter 6 Meter gibt es aber nichts, und so wählen wir nach einigem Suchen Steg 3, and dem gar nichts steht. Dieser Steg gehört einem Segelverein, die Liegegebühr wird nicht beim Hafenmeister bezahlt, sondern 18 Uhr kommt jemand von Verein vorbei und kassiert. Nachteil ist, dass wir so nicht diese Karte bekommen, die man benötigt, um die meisten Einrichtungen des Hafens zu benutzen. Das merken wir aber erst später und dann ist der Hafenmeister nicht mehr da.
Vorerst sehen wir uns aber das Spiel in der gleich beim Hafen gelegenen Pizzeria an, Deutschland gewinnt 4:0.
Sonntag, 04.07.2010
Der nächste Tag ist ein Ruhetag. Nicht nur weil Sonntag ist, sondern weil wir uns für Stralsund etwas mehr Zeit lassen wollen. Am Vormittag besuchen wir das Ozeaneum. Leider wieder für Hunde verboten, so dass einer draußen bleiben muss. Mit Anna suche ich dann noch eine Einkaufsmöglichkeit. In den meisten Badeorten haben die Lebensmittelgeschäfte auch am Sonntag wenigstens für ein paar Stunden geöffnet. Aber Stralsund ist kein Badeort. Schließlich finden wir noch einen kleinen SPAR-Markt am Bahnhof, allerdings teuer und geringe Auswahl. Wir kaufen nur das allernötigste. Am Nachmittag mache ich Ordnung im Boot. Nach Woche ist das dringend nötig. Das Fernrohr taucht allerdings nicht wieder auf, ich muss es also in Wieck verloren haben. Dann gehen wir noch mal vom Schlauchboot aus baden und am Abend Pizza essen.
Montag, 05.07.2010
Eigentlich wollten wir heute zeitiger los, aber irgendwie wird es doch halb zwölf, bis wir loskommen. Beim Segel setzen entdecken wir am Unterliek des Großsegels einen etwa 20 cm langen Riss. Bei der geringsten Belastung wird er größer. Zum Glück haben wir beim Kauf des Bootes noch ein zweites Großsegel erhalten und auch auf diese Fahrt mitgenommen, sogar ein drittes Großsegel hätten wir, das stammt allerdings von einer LIS, und ist ein oder zwei Quadratmeter kleiner.
Das zweite Großsegel hatte ich bisher immer für das schlechtere gehalten, da ein paar Stellen mit Tape überklebt sind. Nun stelle ich aber fest, dass es wesentlich besser steht, als das erste. Schade ist nur, dass es keine Reffreihe wie das erste hat. Ich habe das Reff in diesem Urlaub noch nicht benutzt, aber es ist doch beruhigend, wenn man die Segelfläche verkleinern kann.
Wir kreuzen den Sund hoch. Dabei mache ich ein paar Versuche, um den Wendewinkel festzustellen. 100 Grad sind möglich, bei 120 Grad segelt es sich aber wesentlich besser. Die optimale Höhe aus einem Testbericht, von 30 Grad zum Wind, also 60 Grad Wendewinkel, erreiche ich nicht annähernd. Na ja, die Segel sind halt nicht mehr neu, und das Boot ist ziemlich beladen. Der Spiegel, dessen Unterkante eigentlich auf Höhe des Wasserspiegels liegen sollte, taucht etwa 10 cm tief ein.
Weil der Wind nicht nur aus der falschen Richtung kommt, sondern auch noch schwächer wird, machen wir nach zwei Stunden den Motor an. Lange könnten wir so wie so nicht mehr kreuzen denn das Fahrwasser wird langsam eng. Ein paar Kilometer weiter fahren wir in 10 Meter Entfernung an im Wasser stehenden Möwen vorbei.
Barhöft lassen wir erst mal links liegen, zum Anlegen ist es uns noch zu früh. Ab hier beginnt eine herrliche Landschaft. Rechts die Kiefernwälder vom Bock, links sanftes Hügelland. Man muss allerdings genau auf die Bojen achten, jede noch so kleine Abweichung aus dem Fahrwasser wird mit Grundberührung bestraft. Später versuchen wir es noch mal mit Segeln, aber der Wind aus Nord ist nur schwach. Obwohl er für unseren Kurs nach West bzw. Südwest aus der richtigen Richtung kommt, kommen wir kaum vorwärts.
Ein Blick in die Karte sagt, dass es bis Zingst noch etwa 15 Seemeilen sind. Mit Motor wäre das noch bei Tageslicht zu schaffen. Aber ich habe keine Lust, das Boot unter Motor mit Vollgas durch diese herrliche Landschaft zu prügeln. Deshalb beschließen wir, über Nacht zu ankern.
Wir kurbeln das Schwert hoch, verlassen das Fahrwasser, und lassen am Ostufer des Grabow, etwas unterhalb von Kinnbackenhagen, den Anker fallen. Wind ist fast keiner mehr.
Ich gehe noch mal baden, und versuche mit den Füßen festzustellen, ob der Anker sich richtig in den Grund gebohrt hat. Aber das Wasser ist zu tief. Anschließend mache ich noch eine Kreuzpeilung, damit ich feststellen kann, ob wir abtreiben.
Während des Abendessens kommt wieder ein leichter Wind auf, jetzt aus West. Ohne sagen zu können warum, habe ich ein etwas ungutes Gefühl dabei. Sollte ich noch bis ans Westufer fahren? Noch wäre es mit dem letzten Tageslicht zu schaffen.
Irgendwie denke ich dann aber doch: „Abwarten, es wird schon nicht so schlimm werden“.
Wir spielen noch eine Runde Würfeln. Während dessen beginnt es zeitweise, doch recht kräftig zu schaukeln. Dann sind wir mit dem Würfeln fertig. Die Kinder kriechen in die Schlafsäcke. Ich schaue noch mal raus.
Der Wind hat zugenommen auf etwa 4 Bft. Von Westen rollen Wellen, einen reichlichen halben Meter hoch, heran. Unangenehmer Nieselregen, fast wagerecht. Im Nordwesten ein bedrohlich wirkender gelb-rötlicher Schein. Das Boot zerrt an der Ankerleine hin und her. Ich habe zwar 6 Meter Kettenvorlauf, aber dieses hin und her hebelt irgendwann den Anker aus dem Grund.
Ich lasse mir meine Regensachen rausreichen. Mit dem Ruder kann ich die stärksten Schlingerbewegungen ausgleichen. Es ist etwa 23 Uhr und völlig dunkel, bis auf diesen Schein in Nordwest, und die Lichter eines Dorfes, wo ich Dabitz am Westufer vermute. Gestern war es in Stralsund um diese Zeit noch ein klein wenig hell. Wieder hell wird es erst in 5 Stunden, etwa um 4 Uhr. 5 Stunden hier sitzen, und die Wellen ausgleichen? Es gelingt nicht immer. Manchmal schlingert das Boot ganz schön hin und her.
Nein! Ich gehe noch mal rein, und schau auf die Karte, nachher muss ich aus dem Gedächtnis fahren. Wenn ich auf Dabitz zuhalte, sind keine Hindernisse zu erwarten.
Anna muss mit raus. Ich starte den Motor, er kommt auf den ersten Zug, und schalte die Positionslichter ein. Das Toplicht ist gut, es beleuchtet die nähere Umgebung. Anna hebt den Anker, ich gebe Vollgas.
Die 2,5 PS des Motors haben Mühe, das Boot gegen Wind und Wellen zu bewegen. Ich schätze 2 Knoten Fahrt. Im Schein von Annas Stirnlampe tauchen plötzlich Stangen auf. Ein Netz! Ich drehe die Pinne des Motors, das Boot dreht fast auf der Stelle. Die Reihe der Stangen zieht sich hin, dann endlich der Rhombus, der das Ende des Netzes kennzeichnet, und ich kann wieder in die ursprüngliche Richtung weiterfahren. Noch einmal tauchen Stangen auf. Diese Art von Netzen beginnt doch am Ufer? Wieso sind die hier, mitten auf dem Bodden?
Die Lichter des Dorfes sind allmählich näher gekommen. Der Wind kommt jetzt komischerweise von schräg hinten, also auch hier auflandig, trotzdem wird das Wasser ruhiger. Dann etwa 10 Meter vor mir Schilf. Ich drehe das Boot in den Wind, und Anna lässt den Anker fallen.
Nun liegen wir etwa 5 Meter vor der Schilfkante, und erstaunlich ruhig. Ich schalte die Positionslichter aus. Sie sind merklich dunkler geworden, die 5 Ampere haben die 7- Amperestunden-Batterie schnell leer gesaugt, die Kajütbeleuchtung hatte am Abend ja auch schon einiges gezogen.
Es ist nach Mitternacht. Ich ziehe die Regenklamotten aus, krieche in den Schlafsack und schlafe bald ein.
Dienstag, 06.07.2010
Gegen 4 Uhr wache ich auf. Ein Blick aus dem Backbordfenster: frei. Ein Blick aus dem Steuerbordfenster: Schilf, in nächster Nähe. Der Wind pfeift, das Boot liegt aber sonderbar ruhig. Ich schlafe wieder ein.
Ich schlafe schlecht. Ich träume vom Boot, ich muss es aus dem Schlamm ziehen.
Etwa 8 Uhr wache ich endgültig auf. Es ist hell, der Nieselregen hat aufgehört, der Wind pfeift immer noch. Wir liegen in vielleicht 20 cm tiefen Wasser, direkt an der Schilfkante. Wir sind also über Nacht etwas abgetrieben.
Ich versuche mich zu orientieren, aber es gelingt mir nicht so recht. Erst der Kompass bringt die Erleuchtung: Wir liegen nicht am West, sondern am Südufer des Boddens. Der Wind kommt aus Nordwest, deshalb auflandig. Der Ort hier ist nicht Dabitz, sondern irgendein anderes Nest.
Hier im flachen Wasser möchte ich nicht liegen bleiben. An Land kommen wir hier nicht, und wir brauchen Lebensmittel. Anna muss wieder mit ran und mit Wurfanker und durch staken verholen wir uns mühsam gegen den Wind ins Tiefe, bis wir den Motor anmachen können.
Kaum im tieferen Wasser, geht der Tanz mit den Wellen wieder los, aber es macht uns nicht mehr so viel aus, wir sind abgehärtet von gestern. Wir spüren aber auch, dass das Boot in Wirklichkeit noch lange nicht an seiner Grenze angekommen ist, Wellen und Wind legen es zwar manchmal auf die Seite, aber es richtet sich sofort wieder auf. Es gehorcht in jeder Lage wunderbar aufs Ruder. Irgendwo habe ich mal gelesen: „Das Boot hält meist mehr aus, als die Mannschaft“, da scheint was wahres dran zu sein.
Der Motor dagegen hat echt zu tun, aber er kämpft tapfer gegen die Wellen an. Zum ersten Mal erlebe ich live, was „sich in den Wellen feststampfen“ bedeutet. Ein oder zwei PS mehr wären nicht schlecht.
Trotz dem geht es vorwärts und wir erkennen in der Ferne schon den „echten“ Hafen Dabitz. Die hohen Wellen reichen bis kurz vor den Hafen, aber im Hafen ist es ruhig und wir sind froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren. Auch Dina kann endlich ihre Geschäfte verrichten, sie hat erstaunlich lange durchgehalten.
Wir schauen uns um. Ein Wegweiser zeigt nach Barth, 6 km. Das wäre jogging hin 40 Minuten, und laufen zurück mit dem Einkauf ein und eine viertel Stunde. Als erstes frühstücken wir aber, ein paar Reste und Kaffee haben wir noch, auch Trinkwasser ist noch da.
Mit letzterem könnte es allerdings knapp werden, wenn wir hier die Nacht zubringen müssen. Ich habe auch den Eindruck, dass sich das Wetter langsam beruhigt. Die Sonne scheint inzwischen auch wieder, da sieht alles gleich viel freundlicher aus.
Gegen Mittag beschließen wir weiter zu fahren, nach Zingst. Es sind noch immer Wellen da, aber wir kommen gut gegen sie voran, Richtung Norden. Wir entdecken wieder viele Netzfahnen, wieder nur doppelte. Wieder müssen wir Umwege fahren, weil nicht zu erkennen ist, welche Fahne zu welcher gehört. Gut das wir in der Nacht da nicht hängen geblieben sind.
Wieder in der Fahrrinne angekommen ist es ein Gefühl fast wie wieder zu Hause.
In den engen Fahrwassern kurz vor Zingst wird es ruhiger.
Wir gehen zum nächsten EDEKA einkaufen. Wir haben hier die volle Auswahl, aber auch hier ist es relativ teuer. Dann gehen wir noch zum Strand. Der nächste Hundestrand liegt weit abseits. Es ist ein langes Stück auf der Deichkrone zu laufen. Als wir da sind, ist mir wegen des Windes schon kalt, obwohl ich einen Pullover an habe. In dem eiskalten Ostseewasser halte ich es auch nur eine kurze Zeit aus.
Wieder am Boot zurück, essen wir Abendbrot. Anschließend laufe ich noch zur Tankstelle. Die liegt auch ziemlich weit außerhalb, an der Straße in Richtung Barth. Teilweise gibt es nicht mal einen Fußweg, man muss im Dunkeln auf der Straße laufen. Die Tankstelle hat schon geschlossen, aber es gibt einen Automat, wo man mit EC-Karte bezahlen kann. 8,5 Liter haben wir seit Wolgast verbraucht.
Mittwoch, 07.07.2010
Die Halbinsel Zingst war früher durch eine Eisenbahnlinie mit dem Festland verbunden. Der Zingster Strom wurde durch eine Drehbrücke überquert. Als die Eisenbahnlinie stillgelegt wurde, hat man aus der Eisenbahnbrücke eine Straßenbrücke gemacht. Da die Eisenbahnlinie nur eingleisig war, ist diese Straßenbrücke auch nur einspurig. Da diese Brücke dem Verkehrsaufkommen nicht mehr gewachsen war, hat man für die Verkehrsrichtung von Zingst nach Barth eine Schwimmbrücke errichtet. Um diese für die Schifffahrt zu öffnen wird ein Teil hochgeklappt, da dieser Teil zu schmal ist, wird ein weiterer Teil zur Seite weggezogen. Der Teil zum hochklappen ist im geschlossenen Zustand nur etwa 1 Meter hoch.
Für uns ist da selbst mit gelegtem Mast kein Durchkommen, wir sind also auf die Öffnungszeiten 9:30 und 18:30 angewiesen. Deshalb geht es am nächsten Tag für unsere Verhältnisse zeitig los.
Um neun fahren wir gemeinsam mit vielen anderen Booten auf die Brücke zu. Pünktlich 9:30 öffnet die Brücke, und bald fahren wir wieder alleine, die anderen sind fast alle schneller, als wir.
Den Bodstedter Bodden versuche ich, nur mit der Genua segelnd, zu überqueren, ich habe keine Lust, für diese kurze Strecke das Groß hochzuziehen. Mit 50 Grad am Wind macht das allerdings keinen Spaß.
Zwischen Bodstedter und Saaler Bodden führt das Fahrwasser durch eine idyllische Inselwelt, hier ist wieder Segeln möglich. Auf dem Saaler Bodden erreiche ich sogar einmal, unter Segeln, eine
Geschwindigkeit von 4,2 Knoten.
Schon halb drei legen wir in Dierhagen an. In Dierhagen Strand gehen wir Pizza essen.
Ich habe es vorsorglich schon getestet, wir haben auf dem Boot DVB-T-Empfang, wir müssen nicht in der Freiluftgaststätte um die wenigen Plätze kämpfen, wir können das Fußballspiel Deutschland - Spanien in Ruhe auf dem Boot sehen. Deutschland verliert leider 0:1.
Donnerstag, 08.07.2010
Am nächsten Morgen fülle ich eine Waschmaschine mit Wäsche, gestern Abend war das nicht mehr möglich, weil die Hafenmeisterin Feierabend machte, und der Raum dann verschlossen ist. Nach Brötchenkauf und Frühstück müssen wir noch eine Weile warten, bis die Wäsche fertig ist. Die Kinder möchten einen Strandtag einlegen, Postkarten müssen auch noch geschrieben werden. Wir kaufen uns noch für 13 Euro eine Strandmuschel, anders wäre es in der Sonne nicht auszuhalten und laufen auf die andere Seite der Halbinsel, zum Strand. Wo hier der Hundestrand ist, wissen wir noch vom letzten Urlaub. Das Wasser ist auch hier recht kalt, aber schon wärmer als gestern.
Freitag, 09.07.2010
Wir sind am westlichsten Ende der Boddenkette angekommen, uns bleibt nun nicht viel anderes übrig, als mindestens bis Barhöft zurückzufahren. Nach dem Frühstück, das wir seit einigen Tagen wegen der Sonne meist unter einer über den Baum gespannten Plane verbringen (die hatte ich eigentlich gegen Regen mitgenommen), segeln wir los. Der Wind weht aus Nord, mit 2 Bft., oft auch schwächer. Mit kreuzen dauert es dreieinhalb Stunden, bis wir im Norden bei Tonne R84/A2 ankommen und nach Osten abbiegen können. Wir haben es aber nicht eilig, weil die Meiningenbrücke so wie so erst halb sieben öffnet. Der Wind hat aufgefrischt und etwas auf Ost gedreht. Obwohl wir nun für unsere Verhältnisse hoch am Wind fahren, erreichen wir kurzzeitig bis zu 4,8 Knoten.
Den Rest, bis zur Brücke, legen wir unter Motor zurück. Wir müssen noch eine Weile auf die Öffnung warten. Da die wenigen Liegemöglichkeiten alle belegt sind, den Anker wollen wir auch nicht erst hervorkramen, drehen wir mit Standgas noch einige Kreise. Einige Autos mit Blaulicht überqueren die Brücke, danach wird geöffnet. Als es endlich grün wird bleibt der Motor stehen. Bis er wieder läuft, sind die meisten Boote durch, aber wir schaffen es auch noch. So zuverlässig der Motor auch ist, wenn man bei niedrigen Drehzahlen Gas gibt, geht er aus. Zieht man den Choke halb, ist es etwas besser, aber immer klappt das auch nicht.
Erst habe ich Bedenken, das die Boote, die jetzt durch die Brücke gefahren sind, auch alle in den Hafen wollen. Die meisten fahren jedoch vorbei, und außerdem sind noch viele Boxen frei.
Neben uns in der Box liegt ein Boot, ähnlich groß wie unseres. Auch eine Familie, 2 Erwachsene, 2 Kinder. Sie sind heute früh von Hiddensee los gefahren. Sie warnen vor Neuendorf, das wäre am Wochenende sehr voll.
Wir gehen obwohl es schon halb acht ist noch mal an den Strand. Wieder weit laufen, bis zum Hundestrand. So ist es schon sehr spät, bis wir dann endlich gegessen haben und die Kinder in der Koje liegen. Obwohl nur einer von meinen drei 5-Liter-Kanistern leer ist, gehe ich noch mal zur Tankstelle. In meinem Kopf spukt da so eine Idee: Rund Rügen. Natürlich nur bei ruhigen Bedingungen, aber gerade dann brauche ich natürlich Benzin. Hiddensee, unser nächstes Ziel, ist eine autofreie Insel, da bekomme ich bestimmt keins.
Doch heute streikt der Automat. „Vorgang nicht möglich“ sagt er. Mist. Da bin ich nun extra 20 Minuten bis hier her gelaufen.
Sonnabend, 10.07.2010
Am nächsten Morgen versuche ich es noch einmal. Jetzt hat die Tankstelle geöffnet, und ich kann an der Kasse bezahlen. Gleich hinter der Tankstelle ist ein NETTO, und so kann ich es mit dem Brötchenholen verbinden. Brötchen hätte ich zwar auch näher am Hafen bekommen, aber so ist der Zusatzaufwand doch geringer.
Kurz vor der Abfahrt schicke ich Ansgar und Anna noch einmal los. Ansgar hatte schon auf der Hinfahrt in einem der Läden ein ferngesteuertes Boot entdeckt. Da er bald Geburtstag hat, und ich noch nicht viele Geschenke, darf er es sich kaufen.
Weiter geht es Richtung Osten. Der Wind ist schwach, teils segeln wir, teils fahren wir unter Motor. Einmal ankern wir auch, damit Ansgar sein Boot fahren lassen kann. Der Geburtstag ist zwar erst in einer Woche, aber hier oben kann er es wenigstens fahren lassen. Bei uns in Jena ist dazu seltener Gelegenheit.
Der Grabow liegt heute still da, als könnte er kein Wässerchen trüben.
Beim Großsegel hat sich am Vorliek die Spreizlatte durch das Segeltuch gebohrt und beginnt nun dort langsam herauszurutschen. Die Stelle war schon mit Tape überklebt. Ich klebe das Tape wieder drauf, und hoffe dass es wenigstens bis Barhöft hält.
Wir überlegen noch, vor dem Anlegen in Barhöft, durch das Fahrwasser zwischen Bock und Gellen mal vorsichtig auf die Ostsee raus zu schauen. Es ist erst halb fünf, bis Neuendorf oder Vitte wäre es allerdings zu weit. Aber der Hafen von Barhöft sieht von weitem schon sehr voll aus, und es sind viele Boote dorthin unterwegs. Selbst auf dem Ankerplatz östlich vom Bock liegen schon einige Boote. So fahren wir lieber gleich in den Hafen.
Das ist auch gut so, denn so erwischen wir noch einen der letzten freien Plätze. Es gibt hier Heckbojen, so habe ich noch nie gelegen.
Die Kinder wollen noch mal baden gehen. Der Badestrand von Barhöft war schon von weitem zu sehen, ist aber für Hunde verboten. Diesmal verzichte ich, und esse dafür ein Backfischbrötchen. Später gehe ich auch noch baden. Das Wasser ist flach, warm und enthält viele Wasserpflanzen. Letztere trüben den Badegenuss etwas.
Heute ist das Spiel um den dritten Platz. In der Halbzeitpause kümmere ich mich um das Großsegel. Ich nähe das Tape auf der Lattentasche fest. Es sieht vertrauenerweckend aus, und müsste eigentlich bis zum Urlaubende halten. Deutschland gewinnt 3:2.
Der Ort Barhöft selbst ist nicht groß. Ein etwas überdimensioniert wirkendes Hotel und die alten Kasernengebäude aus der DDR-Zeit. Vor reichlich 20 Jahren wäre es undenkbar gewesen, hier mit dem eigenen Boot lang zu fahren. In verlassen wirkenden Wohnblöcken scheint aber doch noch jemand zu wohne, abends brennt hinter einigen Fenstern Licht.
Sonntag, 11.07.2010
Nach Brötchenkauf und Frühstück geht es weiter. Der Hafen hat sich recht schnell geleert, wahrscheinlicht bleiben die wenigsten hier länger als eine Nacht. Wegen des großen Flachs südöstlich vom Gellen muss man erst mal sehr weit in Richtung Stralsund fahren, bis man in das Hiddenseefahrwasser abbiegen kann.
Der Wind kann sich nicht entscheiden und dreht erst ein paar mal, aber nach dem die Fahrrinne nach Norden abgebogen ist können wir segeln. Rechts liegt die Insel Umanz, wo wir vor ein paar Jahren auf dem Zeltplatz Surendorf Urlaub machten. Damals sind wir mit der Segeljolle rüber nach Hiddensee gefahren. Wir mussten sehr lange warten, bis mir das Wetter dafür sicher genug erschien. Wellen, die damals schon in die Jolle reingeschwappt wären, sind jetzt für den „Sägefisch“ kein Problem.
Wir ankern noch mal um zu baden und Ansgar lässt sein Boot fahren. Es sind viele Wasserpflanzen im Wasser, die dem ferngesteuerten Boot Probleme bereiten, sie verhaken sich in der Schraube und im Ruder.
In den Fahrwassern vor Hiddensee herrscht viel Verkehr. Der Hafen Vitte / Lange Ort ist der größte, trotzdem ist er schon recht voll, als wir gegen 15 Uhr ankommen. Weit innen finden wir noch eine freie Box. Hier schwimmt viel Seegras. Die Schraube fängt viel davon ein und bleibt irgendwann stehen, das Ruder ist auch nicht mehr benutzbar. Irgendwie retten wir uns an den Steg.
Hiddensee ist der bisher teuerste Hafen, 14 Euro kostet die Nacht für unser Boot.
Die Kinder möchten den Rest des Tages am Strand verbringen, sie sind irgendwie kälteresistent. Ich finde das Wasser saukalt, nur kurz mal untertauchen und dann nix wie raus, bevor einem die Füße absterben.
Wer mit Hund auf Hiddensee Urlaub macht hat Pech: Der gesamte Strand ist für Hunde verboten. Der arme Hund. Da konnte er nicht bei unserer Badepause vom Boot aus ins Wasser, das traut er sich nicht und da sind wir auch ganz froh darüber. Und nun hier auch nicht.
Weil ich nicht am Strand bleiben will und der Hund nicht darf, machen wir beide einen Spaziergang. Ich möchte mal wieder zum Dornbusch, das letzte Mal war ich vor acht Jahren dort.
Im Reiseführer steht, Hiddensee hat sich bis heute seine Ursprünglichkeit erhalten. Das stimmt. Man findet durchaus auch mal abblätternde Farbe oder am Straßenrand einen von Brennnesseln überwucherten Leiterwagen.
In Kloster ist der Leuchtturm in zwei Richtungen ausgeschildert, ein Weg führt über Grieben. Ich wähle diesen, weil ich noch nie in Grieben war.
In Grieben gibt es kaum Touristen, hier legen keine Fähren an. Wer nicht gerade hier ein Quartier hat, oder weiter zur Halbinsel Bessin will, kommt nicht hier her.
In Grieben gibt es keine Wegweiser, deshalb laufe ich erst mal gerade durch. Kurz vor Beginn des Naturschutzgebiets, gekennzeichnet durch ein Schild mit einer Eule, und Hinweisen, was ab hier alles verboten ist, zweigt ein Weg nach links ab. Dina kann ich erst mal von der Leine lassen, sie genießt es, endlich mal wieder frei rennen zu können.
Der Weg führt tatsächlich hoch zum Leuchtturm. Der hat allerdings schon geschlossen. Von oben kann man bis nach Dänemark, zur Insel Mön sehen. Na ja, die Sicht wäre heute so wie so nicht so gut. Es sieht seit einer Weile nach Gewitter aus, im Süden sehe ich immer mal Blitze.
Einige Boote sind unten vor der Küste zu sehen. Durch die gewittrige Stimmung sieht es etwas unheimlich aus. Ich beneide sie nicht darum, jetzt da draußen zu sein, obwohl es im Moment noch völlig ruhig ist.
In der Hoffnung auf etwas Kaltes zum Trinken, gehe ich beim Klausner vorbei. Dort sieht alles recht vornehm und teuer aus. Für Dina stehen mit Wasser gefüllte Hundenäpfe da. Es sieht so aus, als würde im Biergarten bedient, aber von der Bedienung ist weit und breit niemand zu sehen.
Da ich keine Lust habe mit Bestellen, Warten auf Getränk und Warten aufs Bezahlen eine halbe Stunde oder länger zu verbringen, gehe ich weiter. Die Treppe runter zum Strand.
Unten läuft es sich schlecht. Man sinkt beim laufen in den Sand oder Kies ein, und kommt nicht vorwärts.
Mir kommen Erinnerungen an das letzte Mal, als wir hier lang liefen, vor 8 Jahren. Wir hatten hier gebadet. Etwa eine Stunde vor Abfahrt der letzten Fähre hatten wir uns auf den Weg nach Kloster gemacht. Ich hatte Kloster gleich hinter dem nächsten größeren Vorsprung der Steilküste vermutet. Das war ein Irrtum. Hat man diesen umrundet, sieht man erst, wie weit es wirklich noch ist: Ein riesiger Bogen, mindestens ein Kilometer. Und wenn man dann endlich den Strand von Kloster erreicht hat muss man noch durch den gesamten Ort, bis zum Hafen. Wir haben uns damals furchtbar beeilt, mit drei kleinen Kindern und Gepäck, und kamen doch zu spät. Zum Glück hatte ich mich bei den Fähren vertan, es fuhr später noch eine, die haben wir dann genommen.
Heute habe ich Zeit, ein Anruf bei den Kindern reicht, ich sage dass es etwas später wird.
Später sehen wir noch das WM-Endspiel Spanien - Niederlande. Spanien gewinnt 1:0 nach Verlängerung.
Montag, 12.07.2010
Wenn man auf dem Deich in Richtung Süden geht und beim Hafen nach rechts abbiegt kommt man zum EDEKA. Dort kaufe ich heute frische Brötchen und noch ein paar Kleinigkeiten. Nach dem Frühstück geht es los, erstmal ohne konkretes Ziel. Ich will einfach mal rausschauen auf die Ostsee, aufs „offene Meer“, dabei habe ich natürlich Rund Rügen im Hinterkopf. Es weht ordentlich, wir können segeln. Im Libben-Fahrwasser fährt man wieder ganz dicht an Flachs vorbei, man muss sich genau an die Tonnen halten. Wir passieren die Tonnen 1 und 2, das „Tor zur Ostsee“, wie ich es für mich nenne.
Wir segeln noch ein paar Seemeilen weiter raus. Es geht ganz gut, aber es ist auch ziemlich starker Wind. Im Süden sieht es schon wieder gewittrig aus. Der Leuchtturm vom Dornbusch verschwindet fast im Dunst.
Für rund Rügen ist mir das zu heiß. Ich mache noch eine Peilung zum Dornbusch und zu einem Antennenmast auf Rügen, damit ich nachher auf der Karte einzeichnen kann, wo wir waren. Dann drehen wir um.
Obwohl das Wasser gestern so furchtbar kalt war, wollen die Kinder noch mal an den Hiddenseer Strand. Wir beschließen also noch mal in Vitte zu übernachten.
Kurz bevor sich die Fahrwasser nach Vitte und Kloster teilen, höre ich von hinten sehr schnell ein Wassertaxi kommen. Ich fahre wegen des starken Verkehrs am äußersten rechten Rand des Fahrwassers. Das Wassertaxi kommt noch rechts von mir. Ich wundere mich noch darüber, da hat der Wassertaxifahrer seinen Fehler scheinbar auch bemerkt. Wenige Meter vor meinem Bug zieht er nach links rein ins Fahrwasser. Ich sehe es kommen, aber kann nicht mehr reagieren. Eine Wand aus Wasser, genau parallel zu meiner Kiellinie kommt von rechts auf uns zu. Ein Krachen und Scheppern, für kurze Zeit sehe ich den Mast mit einem Winkel von weniger als 45 Grad zum Horizont.
Das Boot richtet sich wieder auf. Die Kinder sind alle noch an Bord. Wir sind glitsch nass. Die Abwaschschüssel ist von der Bank ins Cockpit gefallen, aber wir haben Metallgeschirr es ist nichts kaputt. In der Kajüte ist einiges durcheinander gerollt, das Campingklo steht noch. So schräg lag das Boot im ganzen Urlaub noch nicht. Das Wassertaxi entschwindet in Richtung Kloster.
Gegen 17 Uhr laufen wir in Langen Ort ein. Wir suchen Boxengasse für Boxengasse ab, es ist alles voll. Einige große Yachten liegen von außen quer an den Pfählen. Das Seegras am Ende einer Boxengasse würgt den Motor ab. Der Skipper eines Bootes, das am inneren Ende eines Steges liegt, sieht uns. „Gestern lag hier innen, neben mir, noch ein Jollenkreuzer im Schilf.“
Er wirft uns ein Seil zu, und zieht uns durch das Schilf mit dem Bug zum Steg. Dieser Liegeplatz hat zwar keine Nummer mehr und nur noch einen Heckpfahl, aber immer noch besser als gar kein Platz. Bloß wie wir hier morgen wieder raus kommen weis ich nicht.
Wir gehen noch mal zum Strand. Ich bade nur kurz, für länger ist mir das Wasser so wie so zu kalt. Anna wartet mit Dina so lange oben auf der Promenade. Danach gehe ich mit dem Hund wieder zum Boot und die Kinder bleiben noch etwas am Strand. Der Stegnachbar liefert mir noch den Wetterbericht: diese Nacht eine Front, morgen straffer West- und übermorgen straffer Ostwind.
Dienstag, 13.07.2010
Am nächsten Morgen fahren ziehen wir uns an der Heckleine bis zum Pfahl und staken dann mit den Paddeln, bis wir im seegrasfreien tiefen Wasser sind und den Motor benutzen können. Wir fahren noch mal das Libben-Fahrwasser raus. Der Westwind wäre für die Umrundung Kap Arkonas günstig. Gleich hinter der Engstelle zwischen Hiddensee und Rügen werden die Wellen recht hoch. Es geht zwar noch, aber weiter draußen werden sie noch höher sein. Sollte dann der Motor streiken, hätten wir kaum eine Chance, zurückzukommen. Dann müssten wir durch, egal wie hoch die Wellen dann sind. Wir drehen um. Anna ist traurig, ihr hat das Segeln hier draußen Spaß gemacht.
Dafür können wir jetzt mit Rückenwind den Breetzer Bodden entlang fahren. Gegen halb vier biegen wir ab in den Breeger Bodden, etwa um vier legen wir in Breege an. Die Boxen hier sind riesig, erst als wir festgemacht haben sehe ich, dass weiter hinten noch kleinere Boxen gewesen wären. Da aber nur etwa die Hälfte aller Boxen belegt ist, bleiben wir hier, wir nehmen niemand den Platz weg.
Mir hätte auch ein Backfisch mit Remulade am Stand gleich beim Hafen gereicht, die Kinder möchten aber gerne Pizza essen und sind sogar bereit, dafür bis Juliusruh zu laufen. Nach dem Pizzaessen gehen wir dort noch mal an den Strand. Die Tromper Wiek liegt spiegelglatt da, wahrscheinlich wäre die Umrundung Kap Arkonas problemlos gewesen, aber das weis man eben nicht vorher.
Von Breege aus laufe ich noch mal mit Dina in Richtung Altenkirchen. Kurz vor Altenkirchen ist eine Tankstelle, und ein Kanister ist schon wieder leer.
Mittwoch, 14.07.2010
Heute ist Mittwoch. Am Montag muss ich wieder arbeiten. Am Sonntag hat Ansgar Geburtstag. Ich möchte also spätestens am Sonnabend nach Hause kommen, besser Freitag, und das Auto muss ich auch noch aus Ueckermünde holen. Heute oder morgen ist also unser letzter Seetag. Ich überlege, in der Marina Neuhof zu slipen. Der Slip dort sah recht gut aus. Busverbindung nach Stralsund besteht, und von dort aus könnet mit dem Zug weiter nach Ueckermünde.
Der Wind hat tatsächlich auf Ost gedreht. Für Breezer Bodden haben wir also wieder Rückenwind. Auf Höhe Vieregge machen wir noch einmal eine Badepause, hier sind wieder viele Pflanzen im Wasser. Bei der Wittoer Fähre muss man aufpassen, der Abstand zwischen den Anlegestellen ist nicht groß, und man weis nie, wann die Fähren ablegen. So lange die Schranke oben ist, ist alles ok, aber wenn die Schranke unten ist, fahren sie sofort los.
Auf Höhe des Wieker Boddens dreht der Wind plötzlich auf Süd. Ein Gedanke kommt mir: Süd, das hieße bis Kap Arkona unter Landabdeckung. In Eile fummle ich die Kabel an den DVD-Player. Tatsächlich, ich bekomme ein paar Sender rein. Der Seewetterbericht sagt Windstärke 3 bis 4 aus Südost. Das könnte gehen, wir versuchen es.
Zum dritten male fahren wir das Libben-Fahrwasser raus. Heute ist es relativ ruhig. Allerdings ist es auch schon relativ spät. Zehn vor um Drei passieren wir die Tonnen 1 und 2. Bis halb zehn haben wir also noch sechseinhalb Stunden mit Tageslicht vor uns. Der Wind hat wieder auf Ost gedreht. Falls uns die Wellen zu hoch werden, können wir bis Kap Arkona jederzeit umdrehen, und könnten dann unter Segel oder Motor zurückfahren, die Zeit dafür würde ausreichen. Das Unangenehmste wäre dann der rammelvolle Hafen in Vitte.
Vorerst segeln wir relativ hoch am Wind die Küste entlang. Später nehme ich noch den Motor hinzu. Wiebke opfert die Rückseite ihres Schreibblocks, damit ich aus der Pappe einen Kegel, Spitze nach unten, basteln kann. Uns kommen viele Boote entgegen, alle unter Segel. Der Fairness halber möchte ich sie nicht zum Ausweichen zwingen. Die Boote sind wahrscheinlich alle heute früh in Sassnitz, Lohme oder Glowe losgefahren. Für mich kommt eigentlich nur Glowe in Frage. Sassnitz ist zu weit, und wenn es uns in Lohme einweht, kommen wir dort nicht weg. Glowe hat einen Slip.
Der Wind hat weiter gedreht, inzwischen hat er sogar eine kleine nördliche Komponente. Wir holen die Segel runter. Der Motor läuft Vollgas. Mit dem Handlog messe ich die Geschwindigkeit, mehr als vier Knoten. Wenn es weiter so läuft müssten wir um Sechs Kap Arkona schon umrundet haben.
Die Wellen sind klein, obwohl wir bei der derzeitigen Windrichtung keine Landabdeckung mehr haben. Trotzdem vermute ich, dass sie bei Kap Arkona höher sind.
Wir fahren am Bakenberg vorbei. Auf dem Zeltplatz hier habe ich als Kind mit meinen Eltern oft Urlaub gemacht. Damals wäre es ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, hier mit einem eigenen Boot lang zu fahren. Die Seestreitkräfte der NVA hätten einen sofort weggefangen. Man wäre allerdings auch gar nicht erst bis hier her gekommen. Damals hat man nur in weiter Ferne am Horizont immer mal ein Frachtschiff gesehen.
Von Zeit zu Zeit tanke ich nach. Der eingebaute Tank reicht bei Vollgas etwa eine Stunde. Aber da der Spiegel, und damit auch der Motor, etwas geneigt sind, ist schon etwas eher Schluss.
In der Ferne ist schon Kap Arkona zu sehen. Die Wellen sind inzwischen etwas größer geworden, der Wind hat zugenommen.
Anna sitzt oben auf dem Vordeck, die anderen beiden Kinder sitzen in der Kajüte. Beim Tanken oder Geschwindigkeit messen muss Wiebke rauskommen und steuern.
Früher sind wir oft vom Zeltplatz zum Kap Arkona gewandert. In meiner Erinnerung für mich als Kind ein weiter Weg. Hin und zurück eine Tagestour. Meist war es dazu noch heiß. Mit dem Boot geht es schneller. Wir können schon die Leuchttürme sehen. Die Wellen sind jetzt etwa einen halben Meter hoch. Aber sie sind angenehm lang, das Boot gleitet gut über sie hinweg.
Wir sind jetzt nahe am Kap. Ich tanke noch mal voll. Ums Kap rum sind die Wellen etwa einen Meter hoch. Ich halte Abstand zur Küste. Hier ist das Arkonariff. Und sollte der Motor aus gehen, habe ich so etwas Zeitreserve. Die Rollfock ist schnell gesetzt, und dann könnte ich mir aussuchen, ob mit Rückenwind zurück oder mit raumem Wind in die Tromper Wiek rein. Wenn wir im schlimmsten Fall dann nicht gegen den Wind ankommen und der Motor gar nicht mehr will, könnten wir ab Juliusruh das Boot mit hochgekurbeltem Schwert auf den Strand setzen und auf besseres Wetter warten.
Mit ganz so hohen Wellen hatte ich zwar nicht gerechnet, aber sie sind kein ernsthaftes Problem. Es sind keine steilen giftigen Boddenwellen. Sie sind langgezogen und lassen sich mit dem Ruder gut ausgleichen. Selten, dass man mal in die nachfolgende Welle etwas härter einsetzt. Unangenehm, aber nicht bedrohlich.
Querab liegt jetzt Vitt. Glowe ist zu erahnen, aber um auf direktem Weg hinzukommen, müssten wir parallel zu den Wellenkämmen fahren. Zurzeit fahre ich schräg zu den Wellen, gegen den Wind.
Anna sitzt schon seit einiger Zeit bei mir hinten im Cockpit und Wiebke kommt jetzt auch aus der Kajüte gekrochen. Ansgar soll erst mal drin bleiben, bei ihm mache ich mir noch am ehesten Sorgen, dass er über Bord geht. Seit eine Welle mal ins Cockpit reingespritzt ist haben wir die Luke zu.
Ich drehe und fahre jetzt mit Wind und Welle schräg von hinten. Es ist jetzt ein seltsam langsames Schaukeln, man muss nur aufpassen, dass das Boot nicht aus dem Ruder läuft. Eine gute Gelegenheit zum Tanken, der Wind bläst mir allerdings den Trichter weg. Da das Boot relativ ruhig liegt geht es aber auch so. Wenn ein Wellenkamm unter dem Boot durchgeht mache ich ein Pause beim umfüllen, es gäbe sonst einen größeren Schwapp, der bestimmt daneben ginge.
Eine ganze Weile fahren wir durch die Tromper Wiek, der Hafen kommt nur langsam näher. Die Wellen werden auch nicht kleiner, warum auch, die haben freie Bahn, von Bornholm oder noch weiter her.
Ansgar ist schlecht. Anna sagt, er hat gerade in den Hundenapf gekotzt.
Erst kurz vor dem Hafen wird es ruhiger. Ich tanke noch mal nach, damit mir der Motor im Hafen nicht ausgeht. Langsam fahren wir nach vier Stunden Vollgas in den Hafen. Der Motor hat gut durchgehalten.
Der Hafen ist etwa halb voll, wir legen uns wieder in eine riesige Box, erst später sehen wir, dass die Boxen ganz innen etwas kleiner sind.
Es ist 20 Uhr, der Hafenmeister hat schon zu. Unsere Stegnachbarn verraten uns den Code für die Toiletten. Wir gehen noch Eis essen, nach diesem Ritt haben wir uns das verdient. Wir sind 31 Seemeilen gefahren, liegen aber nur 4 Seemeilen Luftlinie von unserm Ausgangshafen entfernt.
Der Wetterbericht am Hafenmeisterbüro sagt für morgen Wind bis zur Stärke 5 voraus. Da habe ich keine Lust, um den Königsstuhl nach Sassnitz zu segeln. Das heute war zwar noch ok, aber auch genug. Mehr brauche ich nicht.
Donnerstag, 15.07.2010
Ich kaufe Brötchen. Nach dem Frühstück gebe ich den Kindern 20 Euro. Dafür sollen sie sich tagsüber etwas zu essen kaufen. Kurz nach halb elf fährt ein Bus nach Bergen. In Sagard erfahre ich zu spät, das man auch schon hier in die Bahn umsteigen könnte. Während ich im Bus nach und durch Bergen zuckle, auf dem Weg zum Bahnhof macht der Bus erst eine halbe Stadtrundfahrt, sehe ich vor meinem geistigen Auge all die Züge mir vor der Nase wegfahren, die ich in Sagard noch erwischt hätte. Dem ist zum Glück nicht so, in wenigen Minuten fährt ein Zug, mir bleibt nicht einmal die Zeit, eine Fahrkarte zu kaufen. Das erledige ich im Zug, vergesse aber mich nach den Anschlüssen in Strahlsund zu erkundigen.
In Stralsund suche ich das Reisezentrum auf. Ich weis zwar, mit welchem Zug ich fahren muss, er fährt in 13 Minuten, aber ich weis nicht, in welchem Ort ich in den Zug nach Ueckermünde umsteigen muss. Im Reisezentrum sind nur zwei Leute vor mir, aber es dauert ewig, ich sitze - nein stehe - wie auf Kohlen. Zwei Minuten vor Abfahrt meines Zuges weis ich, das ich in Jatznik umsteigen muss, und habe auch eine Fahrkarte.
Jatznik ist eine logistische Meisterleistung der Bahn. Zum Umsteigen hat man 6 Minuten Zeit, da der Zug nach Ueckermünde in der Gegenrichtung abfährt, muss man auf den anderen Bahnsteig wechseln. Eine Unterführung existiert nicht, das Überschreiten der Gleise ist natürlich verboten. Man muss die Bahnschranke benutzen, die sich in etwa 150 Meter Entfernung vom Bahnhof befindet. Da man mit dem Zug angekommen ist, ist die auch erst mal zu. Und bleibt auch zu wenn der Zug, mit dem man gekommen ist, abgefahren ist, denn der Gegenzug kommt ja gleich. Der Gegenzug ist der, mit dem man fahren will. Ob der dann allerdings so lange wartet, bis die Schranke geöffnet wird, und man zurück zum Bahnhof gelaufen ist, scheint ungewiss, die Einheimischen haben scheinbar ihre Erfahrungen und kriechen noch vor dem Zug unter der Schranke durch und eilen zum Bahnhof. Ich tue es ihnen gleich. Diesmal wäre dies nicht nötig gewesen, einige Reisende die vorbildlich gewartet haben, erreichen den Zug auch noch. Ob das auch noch bei Verspätung oder schlechter Laune des Zugführers der Fall gewesen wäre, weis ich nicht. Die Bahn sorgt jedenfalls für Spannung, denn irgendein Hinweis fehlt.
In Ueckermünde gibt es ein weiteres Kuriosum, der Abstand zwischen dem Bahnhof Ueckermünde und Ueckermünde Hafen ist so klein - würden hier ICE’s fahren, der letzte Wagen würde in Ueckermünde Hafen dort halten, wo in Ueckermünde die Lok hielt.
Dreieinhalb Stunden war ich mit Bus und Bahn unterwegs, mit Auto und Trailer bin ich nicht viel schneller, ich brauche drei Stunden für die Rückfahrt. Aber es wird einem auch bewusst, dass man mit dem Boot eine ganz beachtliche Strecke zurückgelegt hat.
Meine Sorge, dass ich in Glowe mit Trailer keinen Parkplatz finde ist unbegründet. Ich erinnere mich an die gebührenpflichtigen Parkplätze an der Schaabe, auf denen man dann nicht mal über Nacht bleiben darf. Ganz in der Nähe des Hafens, gleich an der Hauptstraße, ist ein kostenloser Parkplatz.
Die Kinder haben heute nicht viel gemacht, der Hundestrand war ein ganzes Stück entfernt, so waren sie nur mal Eis essen.
Der Hundestrand ist gut ausgeschildert, mich beschleicht allerdings ein Verdacht, dass die Entfernungsangaben nicht ganz stimmen, wenn die Entfernung nach gefühlten 300 Meter Weg nur 150 Meter abgenommen hat. Vielleicht liegt es aber auch nur daran, das ich etwas ko. bin nach der Fahrerei. Jedenfalls liegt auch hier der Hundestrand weit draußen vor dem Ort.
Nach dem Baden gehen wir zum Abschluss noch mal Pizza essen, diesmal ist die Pizzeria ganz in der Nähe.
Freitag, 16.07.2010
Noch einmal Brötchen kaufen, diesmal auch noch etwas Cola und Sprite, um die Kinder während der langen Fahrt bei Laune zu halten. Wir haben mit dem Auto jetzt wieder die Kühlbox zur Verfügung, so dass das Zeug genießbar bleiben dürfte.
Der Slip ist etwas abenteuerlich, man muss ein Stück über den Strand fahren, allerdings ist es unter dem Sand doch befestigt, das sieht man bloß nicht gleich. Unter Wasser ist der Slip auch nicht befestigt, der Meeresboden ist aber recht hart so das die Räder des Trailers nur wenig einsinken.
Noch ein letztes Mal ablegen, das Ruder ist schon abgebaut, ich lenke mit dem Motor. Es fährt sich komisch, weil das Schwert ganz aufgeholt ist. Mit Vollgas rutscht das Boot gleicht ein Stück auf den Trailer rauf, aber es dauert etwas, bis Anna begriffen hat, das sie das Boot festhalten soll, und dazu auf den Trailer steigen muss. Hätte ich vorher besser erklären müssen. Den Rest erledigt die Trailerwinde.
Nun kommt der spannende Moment: beim ersten Versuch, den Trailer aus dem Wasser zu ziehen, drehen nur die Räder durch, und es stinkt nach Gummi. Der Trailer rührt sich keine Millimeter. Also die Kinder auf die Motorhaube. Anna rechts, Wiebke und Ansgar links. Das Gespann bewegt sich etwa 10 cm, mehr ist nicht drin. Erst nach dem wir das Boot völlig entladen haben, setzt sich die Fuhre mit Kindern auf der Motorhaube und durchdrehenden Rädern in Bewegung.
Das Einladen ins Auto nimmt auch noch mal eine ganze Zeit in Anspruch. Es ist 12:50, als wir endlich losfahren. Der Mc. Donalds in Neubrandenburg nimmt nur Bargeld, EC-Karte geht nicht. Deshalb holen wir in Fürstenberg noch mal Bargeld und kaufen bei der Gelegenheit noch eine Flasche Cola, im Auto ist es heiß, wir trinken viel. Auf der A9, kurz hinter dem Berliner Ring bekommen die Kinder endlich noch ihr Essen bei Mc. Donalds und etwa 22:30 sind wir in Jena.
Noch mal zur Frage des Hafenmeisters von Ueckermünde am Anfang: Ja, es war eine gute Idee. Der Urlaub war traumhaft. Es war zwar eng in dem Boot, aber nicht zu eng. Den Kindern hat es auch sehr gut gefallen. Wir hatten auch Glück mit dem Wetter. Geregnet hat es nur einmal. Etwa 5 Minuten lang. Bei 3 Wochen Dauerregen hätte es natürlich anders ausgesehen. Nur der Hund hatte scheinbar vom zusammen geringelten Schlafen neben dem Porta Potti die Nase voll: Als ich am ersten Morgen nach dem Urlaub runter in den Flur kam, schlief er ausgestreckt auf anderthalb Meter Länge.
Segelfläche:
Großsegel: 10,7 QuadratmeterVerdrängung:
Fock: 4,5 Quadratmeter
Genua: 8,3 Quadratmeter
Boot: 435 kgMotor: Außenbord, 2,5 PS, 1 Liter Einbautank
4 Personen, 1 Hund: 200 kg
Gepäck: etwa 120 kg
Gesamt: etwa 755 kg
Elektrik:
Batterie: 12V, 7Ah
Solarpanel: 20W, Fläche 40 cm * 40 cm
BSH-Beleuchtung (Zweifarblaterne, Hecklicht, Toplicht)
8W Leuchtstoffröhre zur Kajütbeleuchtung
für diverse Ladegeräte (Handy, Kamera) ein selbst gebauter Rechteck-Wechselrichter