Rund Rügen, Bornholm, Schweden und Polen

Meine drei Traumreviere haben wir nun auf eigenem Kiel mit unserer FAM bereist: vor drei Jahren Rügen und die Bodden, vor zwei Jahren die dänische Südsee und letztes Jahr die Stockholmer Schären. Fangen wir also wieder von vorn an. Rund Rügen haben wir vor drei Jahren schließlich nicht ganz geschafft. Das mussten wir in Glowe abbrechen, weil der Urlaub zu Ende war. Das wollen wir dieses Jahr vollenden. Ganz vorsichtig denke ich da noch über einen Abstecher von Hiddensee nach Klintholm nach. 30 Seemeilen. Vielleicht bei ruhigen Bedingungen. Mal sehen. Nach Polen könnte man auch mal. Stettin oder Swinemünde. Eventuell außen rum, vor der Seeseite von Usedom entlang.
Gestern Abend ist es spät geworden. Deshalb sind wir heute früh erst halb zehn zu Hause los gekommen. Dann hat noch ein Stau bei Berlin Zeit gekostet. So ist es schon nach sechs, als wir in der Marina Neuhof ankommen. Es gibt hier eine Sliprampe, so bekommen wir das Boot um diese Zeit noch ins Wasser. Auf den Kran müssten wir bis morgen warten, teurer wäre das auch. Das Auto und den Trailer können wir hier für drei Wochen stehen lassen. Mast stellen und Segel anschlagen erledigen wir noch heute Abend. So kann es morgen früh gleich los gehen.
Die drei Kinder sind alle wieder ein Stück gewachsen. Das Boot leider nicht. Deshalb müssen Anna und ich wieder ein paar Zentimeter tiefer in die Hundekojen rutschen. Aber bei mir hat am Fußende immerhin noch der Werkzeugkasten Platz und bei Anna noch ein paar Getränkeflaschen, die von der Autofahrt übrig sind.


Sonntag, 14.7.2013
Strahlender Sonnenschein, Wind aus West mit 3 oder 4, wie vorhergesagt. Nach Brötchen holen, Frühstück und einigen Restarbeiten geht es 10 Uhr 45 los. Für uns eine ganz gute Zeit, aber später dürfte es auch nicht sein, denn wir wollen die Brückenöffnung der Ziegelgrabenbrücke 12 Uhr 20 erreichen. Deshalb auch unter Motor, Vollgas. Das ist bei 2,5 PS nicht viel, reicht aber, um unser 5,4 Meter langes Boot auf 4,5 Knoten zu beschleunigen. Wie immer fürchten wir zu spät zu kommen und müssen dann doch noch zusammen mit den anderen wartenden Booten im Standgas ein paar Kreise im Hafen drehen. Dabei wäre Zuspätkommen auch keine Katastrophe, wir können den Mast legen. Aber dazu sind wir zu faul, schließlich haben wir ihn gestern erst gestellt.


Kurz hinter der Brücke setzen wir die Segel. Der Wind hat aufgefrischt auf gute 4 aus WNW, deshalb erst mal nur das einfach gereffte Groß und später die Fock. Kurs Nord, für unsere Verhältnisse ziemlich hoch am Wind. Ziel ist Barhöft.
Der Wind zusammen mit der kurzen steilen Welle ist auf die Dauer etwas heftig. Ich lasse Ansgar die Fock wieder einrollen. Wegen des Windes kriegt er es nicht schnell genug auf die Reihe, die Fock wird sehr eng um das Vorstag gewickelt, das Achterliek knattert längere Zeit im Wind. Als das Segel endlich aufgerollt ist, ist das Achterliek auf einer Länge von etwa anderthalb Metern ausgerissen.
Mist. Gleich zum Urlaubsanfang so etwas. Klar, die Fock ist alt, von all unseren Segeln wahrscheinlich das älteste Segel. Aber ich hoffte doch, dass sie noch ein paar Jahre hält. Erstmal fahren wir nur mit dem gerefften Groß weiter.
Ich überlege: Die nächsten Tage ist Wind mit Stärke 3 oder 4 angesagt. Da fahre ich gern mit gerefftem Großsegel und Fock. Die Genua ist dann oft schon etwas zu groß. Besonders wenn es über größere offene Wasserflächen mit größeren Wellen geht. Für rund Rügen brauche ich die Fock. Als wir an der Stelle sind, wo das Fahrwasser nach Barhöft nach links abzweigt steht mein Entschluss fest: Wir fahren zurück nach Stralsund. Dort gibt es mit Sicherheit einen Yachtausrüster, wo ich einen Streifen selbstklebendes Reparatursegel kaufen kann.
Als wir reichlich eine Stunde später in die City Marina einfahren, ist diese allerdings schon sehr voll. Ständig fahren Yachten in den Hafen, fahren die Boxengassen ab und ziehen erfolglos wieder von dannen. Wir haben Glück: am Kopf des Steg 3 wird repariert. Ein neuer Holzbalken ist am Rand schon angeschraubt, aber der Fingersteg ist noch nicht montiert. Normal kann man hier nicht anlegen. Aber unser Boot ist kurz, wir können längsseits anlegen.

Suchbild: wo ist unser Boot?

Der Hafenmeister gibt mir die Adressen von zwei Segelmachern bzw. Yachtausrüstern. Zu Fuß keine 10 Minuten entfernt. Aber heute am Sonntag natürlich geschlossen, wie ich feststellen muss.
Einige der Yachten, die in der Marina keinen Platz gefunden hatten, liegen jetzt im alten Hafen in den Kanälen. Ich frage mich, wie die hier rein gekommen sind, keine der Klappbrücken sieht so aus, als hätte sie sich in letzter Zeit bewegt.
Später gehen wir noch Pizza essen und zurück auf dem Boot sehen wir uns auf unserem Minifernseher das Spiel der Frauenfussball EM Island - Deutschland an. Deutschland gewinnt.

Montag, 15.7.2013
Die gestern Abend bestellten Brötchen werden direkt bis ans Boot geliefert. Trotzdem gehe ich noch vor dem Frühstück zum Segelmacher und kaufe für je 16 Euro zwei Packungen Reparatursegel. Auf dem Steg schneide ich es in Streifen und klebe es ums Achterliek der Fock. Ansgars Lateinbuch muss als Unterlage herhalten und unser Hund Dina muss sich auf das Segel legen, damit der Wind es nicht fortweht.
Mittlerweile haben sich auch die Kinder aus den Kojen gequält und wir können frühstücken. 10 Uhr 45 geht es endlich los. Der Wind ist wie gestern, vielleicht ein klein wenig schwächer. Der Kurs nach Vitte ist für mich gerade so noch ein Anlieger. Für die meisten Yachten überhaupt kein Problem. Aber unsere FAM hat, beladen wie sie ist, einen Wendewinkel von über 100 Grad, dazu kommt noch die Abdrift.
Im Fahrwasser ist jede Menge Verkehr. Wir haben den Wind von Backbord. Leider verwechseln manche der Entgegenkommenden Kurshaltepflicht mit Narrenfreiheit und zwingen mich zu unnötig großen Ausweichmanövern nach Lee. Dabei ist für mich jeder Meter Höhe kostbar. Trotzdem geht es durch den starken Wind flott voran und es macht Spaß, so zu segeln.
Statt die Fock zu benutzen, lasse ich, wenn möglich, lieber das Reff aus. Irgendwie misstraue ich den Klebestreifen. Schrauben, nähen, löten, schweißen – alles okay, aber ich bin skeptisch gegenüber jeder Art von Klebeverbindungen. Außer bei Holz vielleicht. Jedenfalls möchte ich die Fock schonen, damit ich sie habe, wenn ich sie wirklich brauche. Zu Hause kann ich ja noch eine Zickzacknaht über die Klebekanten setzen, aber jetzt ist mir das zu langwierig.
Der Hafen Vitte Lange Ort ist wie immer gerammelt voll, und im Fahrwasser nach Vitte kommen uns viele Yachten entgegen, die keinen Platz mehr gefunden haben. Teilweise liegen Boote zu dritt in zwei Boxen oder haben längsseits von außen an den Pfahlreihen festgemacht. Aber wohl dem, der ein Schwertboot hat: wie vor drei Jahren finden wir wieder einen Platz ganz innen halb im Schilf, wo es für die anderen schon zu flach ist, diesmal sogar noch mit richtiger Platznummer.


Zum Baden ist es nicht zu kalt, aber zu windig und ungemütlich, trotzdem gehen wir auf die andere Seite der Insel zum Strand. Der Wind weht mit Stärke 5 und die Wellen sind beeindruckend. Morgen sollen die Bedingungen ähnlich sein, gegen Abend vielleicht etwas schwächer. Wenn es überhaupt geht, wird es morgen ein heißer Ritt um Kap Arkona.

Dienstag, 16.7.2013
Am nächsten Morgen hat der Wind etwas nachgelassen. Windfinder sagt Windstärke 5 voraus, wenn auch nur dicht über der Grenze zu 4. Auf dem Weg zum Brötchen holen schaue ich noch mal am Strand vorbei, die Wellen sind tatsächlich etwas kleiner als gestern. Während des Frühstücks achte ich die ganze Zeit auf den Wind, jedes Abflauen wird positiv aufgenommen, jede Bö besorgt registriert. Immerhin kommt der Wind aus der richtigen Richtung, aus West.
Wir lassen uns Zeit, und so ist es schon 12 Uhr, als wir ablegen, vorerst unter Motor. Am Abzweig vom Rassowstrom ins Libbenfahrwasser setzen wir das Groß und binden das 2. Reff ein. Bis zur ersten Boje lasse ich ausgekuppelt den Motor mitlaufen, da ich mir nicht sicher bin, ob ich so ausreichend Höhe fahren kann. Außer uns sind auch noch andere Boote unterwegs, irgendwie beruhigend.
Im Schutz des Bessin sind die Wellen noch klein, durch den starken Wind macht das Boot gut Fahrt. Aber je weiter wir das Libbenfahrwasser rausfahren, desto höher werden die Wellen. Als wir die Abdeckung des Dornbusches verlassen, erreichen die Wellen Höhen von 1,5 Metern. Vor drei Jahren sind wir hier bei weniger Wind umgedreht. Aber das war unser erster Urlaub mit diesem Boot, inzwischen kenne ich es besser und weis, das es eine ganze Menge aushält. Die Wellen sind langgezogen und gleichmäßig. Trotzdem beeindruckend, wenn man im Wellental den Horizont nicht mehr sieht. Der Gedanke an einen Abstecher nach Klintholm scheint angesichts der Wellen weit hergeholt.
Das Boot macht wirklich gute Fahrt. Über 5 Knoten mit dem 2. Reff! Ansatzweise kommt es ins surfen. Den Kindern macht die Fahrt auch Spaß. „Besser als jede Achterbahn.“, so ihr Kommentar. Ab und zu schwappt eine Welle über den Rand, das kann man nicht verhindern. Mein Hintern ist nass, auch meine Arme und der Rücken. Ich hätte lieber das Regenzeug anziehen sollen.
Ich bin froh, dass ich mir in diesem Frühjahr die Mühe gemacht habe, noch die zweite Reffreihe in das Segel einzunähen. Mit dem ersten Reff wäre das Segel zu groß.
Seit dem Libbenfahrwasser haben wir die Schwimmwesten an. Für diesen Urlaub habe ich extra Automatikwesten gekauft. Für den Fall einer Kenterung habe ich das Handfunkgerät am Gurt und ein wasserdichtes GPS in der Hosentasche. So könnte ich im Notfall die genaue Position durchgeben. Es sind immer genügend andere Boote in der Nähe.
Aber das Boot gleitet überraschend unspektakulär durch die Wellen, und vermittelt ein Gefühl der Sicherheit. Da war es manchmal auf den Bodden holperiger.
Vorbei geht es an Mövenort und Bakenberg. Hier am Strand von diesem Zeltplatz habe ich als Kind meine ersten Segelerfahrungen mit Modellbooten gemacht. Mein Vater hatte mir erklärt: „Hier von der Seite bläst der Wind rein, und schiebt das Boot so vorwärts.“ Das war mein ganzer Segelunterricht, alles weitere war Trial and Error. Später bin ich manchmal auf den Mecklenburger Seen mit einem Faltboot gesegelt, dann mit der Jolle und nun mit der FAM hier auf der Ostsee.
Die Ostsee war als Kind immer die Vorstellung vom großen weiten Meer. Irgendwo, weit hinter dem Horizont, lagen Dänemark und Schweden, für uns DDR-Bürger weiter entfernt als der Mond.
Kap Arkona kommt in Sicht. Dahinter, in der Tromper Wiek, werden die Wellen durch die Landabdeckung kleiner. Der Wind hat auch etwas nachgelassen, so dass wir nur noch das 1. Reff benötigen.


Auf einem schönen Halbwindkurs geht es nach Glowe. Es ist noch vor 18 Uhr. Im Hafen sind noch ausreichend Plätze frei. Das Liegegeld bezahle ich mit einem nassen Zehneuroschein. Auch meine anderen Papiere sind nass und die Seekarten haben trotz Plastehülle gelitten. Ich hätte nur die eine benötigte Karte aus der Kajüte raus nehmen sollen.
Nach der Anmeldung beim Hafenmeister gibt es Eis im Café Arkonablick. Morgen soll es etwas ruhiger werden, Wind 3 bis 4 aus West.

Mittwoch, 17.7.2013
Nach Brötchenkauf beim Netto mit richtig langer Schlange und Frühstück geht es 10 Uhr 45 los. Ab hier ist die Strecke neu für uns, vor drei Jahren haben wir unsern Törn hier in Glowe beendet. Wind 3 aus West, ein halber Meter Welle, Ideal. Vorbei am viel gelobten Hafen Lohme, sollte man auch mal besuchen, vielleicht ein anderes Mal. Die Kreidefelsen kommen in Sicht. Schon beeindruckend vom Wasser aus. Wir halten allerdings Abstand, erstens ist das vorgeschrieben, zweitens wollen wir nicht in den Windschatten geraten. Ab hier ist reger Fahrgastschiffsverkehr mit Tagesausflüglern, die die Kreidefelsen besichtigen wollen.


Eine Taube lässt sich auf unserem Vordeck nieder. Es soll ja manchmal vorkommen, das Vögel weit ab von der Küste erschöpft auf Schiffen landen, aber hier ist die Küste in Sichtweite, nur eine halbe Seemeile entfernt und besonders erschöpft sieht die Taube auch nicht aus. Die Brötchenkrümel, die wir ihr anbieten, möchte sie jedenfalls nicht obwohl sie sehr zutraulich ist.


Sie hat an jedem Bein einen Ring, links einen roten und rechts einen grünen, wie sich das in der See- und Luftfahrt gehört. Wir philosophieren, ob sie an einem Brieftaubenwettkampf teilnimmt und ob es erlaubt ist, dass sie uns als Transportmittel missbraucht. Ein Brief oder etwas ähnliches ist an ihr allerdings nicht zu entdecken. Einen Zeitvorteil hat sie sich jedenfalls nicht erschlichen, als sie uns nach 1 ¼ Stunde wieder verlässt, dafür waren wir zu langsam.
Sassnitz kommt in Sicht und wir müssen wieder höher am Wind segeln. Vor den Erfolg hat der Herr den Schweiß gesetzt und der Fischer vor die Hafeneinfahrt die Netzfahne. Und nicht nur eine sondern viele und wie immer nur doppelte, so dass man nicht weis, welche zu welcher gehört. Entnervt gebe ich es auf, mich unter Segel da durch zu fitzen, und fahre den Rest der Strecke unter Motor.
Weit innen im riesigen Hafen liegen zwei neue Betonschwimmstege. Ein Hinweisschild gibt an, welche Boxen für welche Schiffslänge- und breite vorgesehen sind. In unserer - also der kleinsten – Größe ist nur noch die innerste Box frei und ich saue mir meinen neuesten Festmacher auch gleich mit der Schmiere ein, die vergeblich zu verhindern versucht, dass die Brücke, die Schwimmsteg und Kaimauer verbindet, knarrt und quietscht.


Die Höhe des Liegegeldes richtet sich nicht nach der Bootslänge sondern nach der Boxengröße, was zur Folge hat, das sich die dicksten Boote in die kleinsten Boxen quetschen um die zwei Euro zu sparen, die die nächst größere Box kosten würde. Ansonsten ist der Hafen nicht gerade idyllisch aber in Ordnung, hinter einer unscheinbaren Tür verbergen sich ungeahnt weitläufige Sanitärräume. Außerdem gibt es im gleichen Gebäude einen Yachtausrüster und mehrere Gaststätten. Und 200 oder 300 Meter weiter nördlich gibt es sogar einen Bäcker für die Frühstücksbrötchen.
Während ich Kartoffeln für das Abendbrot schäle, fragt mich der Däne vom Nachbarboot: „Kennst du den Seit?“ Als ich realisiere, dass er von mir nur die Zeit wissen will, stammle ich irgendwas auf englisch. Zu spät fällt mir ein, das ich ihm in perfektem Dänisch hätte antworten können: „Klokken er ti minutter over otte.“

Donnerstag, 18.7.2013
Immer noch Sonnenschein und Wind aus West, Stärke 4. Soll aber auffrischen auf 5. Bis zum Nordperd ein schöner Halbwindkurs mit dem 1. Reff im Groß. 12 Seemeilen, wir benötigen etwa 3 Stunden. Auch die Landtief Ansteuerungstonne kann ich noch anliegen, im Landtieffahrwasser selbst ist ein kleiner Kreuzschlag notwendig.


Hinter dem Südperd ab Landtief Tonnenpaar 5/6 biegen wir nach rechts ab und hier kachelt es richtig. Außerdem ist hier eine kurze steile Halbmeterwelle, gegen die wir an müssen. Kreuzen würde mit dem 2. Reff im Groß vielleicht gehen, ist aber langwierig und macht keinen Spaß. Motor macht auch keinen Spaß, geht aber schneller. Selbst mit Motor kann ich nicht genau gegen den Wind fahren. Ich muss Zickzack mit 45 Grad am Wind fahren, sonst stampft sich das Boot in den Wellen fest.
Es fährt sich unangenehm und es dauert. Im Fahrwasser nach Thiessow wird es endlich ruhiger. Aber ich habe es geahnt: Der Hafen von Thiessow ist rappelvoll. Die Boote liegen mindestens im Zweierpäckchen. Für dickere Päckchen ist auch nicht so recht Platz. Und eigentlich wollten wir das Päckchenliegen auch vermeiden, weil wir bestimmt böse Blicke ernten, wenn Dina mit ihren Krallen über das gepflegte Gelcoat des Vordecks klappert.
Also Motor noch mal vollgetankt und nach Gager. Mindestens noch mal anderthalb Stunden. Die Kinder sind etwas genervt und wenn ich ehrlich bin, ich auch.
18 Uhr laufen wir in den Hafen von Gager ein. Die Gästeplätze sind auch schon alle belegt, sogar an der Außenseite des Schwellschutzes liegen schon zwei Boote. Eine vermeintlich freie Box erweist sich als schon belegt, aber schließlich dürfen wir an dem Steg für die Einheimischen festmachen. Allerdings läuft hier gerade irgendeine Party, immerhin erhalte ich dadurch ein gekühltes Anlegebier.


Für meine Kinder wird es eine unruhige Nacht. Es wird laut gefeiert, gegen Mitternacht noch mal gebadet, aber man kann ja schlecht was sagen, ich bin ja froh, dass wir überhaupt hier liegen können.

Freitag, 19.7.2013
Der Wind bläst noch immer mit Stärke 5 aus West. Trotzdem wollen wir heute mindestens nach Lauterbach. Wir brauchen Lebensmittel und hier in Gager gibt es nur einen wahrhaft winzigen Laden. Außerdem wird mein Netbook nicht mehr geladen. Ich vermute das es am Netzteil liegt, vielleicht bekomme ich in Lauterbach Ersatz.
Der Wind soll am Nachmittag etwas schwächer werden, deshalb lassen wir uns Zeit. Erst gegen 13 Uhr 30 legen wir ab. Unter Motor, Kreuzen wäre uns bei dem Wind immer noch zu stressig. Eine knappe Stunde später sind wir bei Tonne Zicker, von nun an können wir schräg gegen den Wind. Abkürzen geht schlecht, Flachs und Steine. Hinter der Insel Vilm wird es ruhiger.
Kurz nach 4 Uhr legen wir in Lauterbach an. Im Gegensatz zu Gager bietet Lauterbach ausreichend freie Liegeplätze, es wäre besser gewesen, wir wären gestern gleich bis hier her gefahren. Viel weiter wäre es nicht gewesen, ohne den Abstecher nach Thiessow sogar kürzer.
Als erstes gibt es gleich am Hafen ein Eis, dann gehen wir einkaufen. Der Netto ist schnell gefunden, wir richten uns einfach nach den Leuten, die uns mit vollen Tüten entgegenkommen.
PortaPotti entleeren darf man auch in der Marina Lauterbach nicht. Immerhin werden zwei Adressen genannt, wo man dies tun darf. Eine in Stralsund und eine in Binz. Binz hat nicht mal einen Hafen. Ob jemand mit dem Fäkalientank auf dem Schoß mit Bus oder Bahn nach Binz fährt? Wohl etwas praxisfern.

Sonnabend, 20.7.2013
Wir sind erst sechs Tage unterwegs und haben Rügen schon fast vollständig umrundet. Wir haben aber noch fast zwei Wochen Urlaub, und deshalb soll es nun erst mal nach Polen gehen. Kröslin oder Freest erscheinen uns als Ausgangspunkt für eine Umrundung Usedoms auf der Seeseite günstig. 11 Uhr 30 legen wir ab.


Der Wind hat heute mal zur Abwechslung auf Nordost gedreht und ist auch nicht mehr ganz so stark. Aber immer noch stark genug für flotte Fahrt unter Groß und Genua Richtung Süden. Hier im Greifswalder Bodden ist erstmals genaueres Navigieren nötig. Aber wenn sich nach den Tonnen richtet, kann man nicht viel falsch machen.
Der Wind wird schwächer und es wird warm. Als der Wind gegen 4 Uhr vollends zum erliegen kommt machen wir erst mal Badepause. Die Mädchen halten es ziemlich lange aus im Wasser, ich ziehe sie noch eine Weile am Festmacher hinter dem Boot her. Dann folgen wir unter Motor der Fahrrinne nach Kröslin, Freest wäre eine Seemeile kürzer gewesen, aber Kröslin hat eine Tankstelle.
Steg D und E sind für kleinere Boote vorgesehen und es sind noch jede Menge Boxen frei.

Sonntag, 21.7.2013
Zwei 5 Liter Kanister Benzin hatte ich mitgenommen. Einer ist jetzt leer, der andere noch fast voll. Im Yachtshop kaufe ich noch einen dritten und tanke. So habe ich jetzt fast 15 Liter. Das sollte für Polen reichen.
Der Wind ist günstig, Nordwest, 3 bis 4. Die nächsten Tage aber auch Nord, zum Zurückkommen also nicht so günstig.
Gegen 10 Uhr legen wir ab, für unsere Verhältnisse also ausgesprochen zeitig. Das erste Stück nach Norden unter Motor, dann setzen wir die Segel. Mit uns sind jede Menge andere Boote unterwegs, die meisten biegen aber in den Greifswalder Bodden ab. Der Wind ist ideal, gerade so stark, das wir nicht reffen müssen, kurzzeitig läuft das Boot 5 Knoten. Das ist fast Rumpfgeschwindigkeit, viel schneller geht es nicht.
Plötzlich habe ich eine ziemlich verrückte Idee: Bornholm? Der Bug zeigt im Moment gerade in diese Richtung. Ich schaue noch mal nach dem Wetterbericht: Heute Wind 3 aus Nordwest, am Nachmittag auch mal dicht darüber, gegen Abend abflauend bis 1 gegen Mitternacht. Morgen Nachmittag noch mal stärker, 4 bis 5 aus West und übermorgen mit 3 aus Nord, ideal für die Rückfahrt. Ich frage die Kinder, ob sie Lust haben: Bornholm, Dänemark, Nachtfahrt, ein Abenteuer?
Sie sind dafür. Also wird hinter dem Ruden nicht nach rechts abgebogen, sondern weiter gerade aus, Kurs 30 Grad.
Ich rechne noch mal nach: Von Sassnitz bis Bornholm sind es reichlich 50 Seemeilen. Also sind es von hier grob geschätzt 60 oder 65. Bei Fahrt mit 4 Knoten 15 Stunden, eher mehr. Ab heute Abend werden wir wegen des nachlassenden Windes mit Motor fahren müssen, Benzin haben wir genug.
Aber noch rauscht das Boot unter Segel dahin, Groß und Genua. Die Wellen sind etwa einen halben Meter hoch, kein Problem. Rechts liegt die Greifswalder Oie, links Rügen mit Süd- und Nordperd.
Andere Boote sind in unserer Richtung keine unterwegs. Auf der Kartendarstellung des GPS ist das Stück, das wir gesegelt sind, winzig, im Vergleich zu dem, was wir noch vor uns haben.
Mit einem Boot, nicht einmal fünfeinhalb Meter lang über das Meer? Mit drei Kindern? Natürlich hatte ich schon darüber nachgedacht. Aber es dann zu den Akten gelegt. Vielleicht später einmal. Mit einem größeren Boot. Aber nun sind wir unterwegs.
Die Kreidefelsen liegen nun querab, Oie achteraus. Der Wind hat, wie vorhergesagt, etwas zugenommen. Die Wellen auch. Inzwischen mit dem 1. Reff im Groß zieht das Boot seine Bahn. Weit ab im Osten fährt ein Segelboot in eine ähnliche Richtung wie wir.
Wie steht es eigentlich mit der Sicherheit? Wir alle 4 haben Automatikrettungswesten an. Das Schlauchboot liegt im Cockpit. Das Wasser hat Badetemperatur, selbst im Wasser treibend sollte man das Schlauchboot aufpumpen können. Funk haben wir auch. Bei Mastbruch haben wir den Motor, andersrum bei Motorausfall die Segel. Sollte aber alles nicht nötig werden.
Das Reff konnten wir wieder rausnehmen. Aber mehr auch nicht. Die vorhergesagte Abendflaute will sich nicht einstellen. Wir fahren immer noch 3,5 Knoten. Auch gut, spart Benzin. Greifswalder Oie ist hinter dem Horizont verschwunden, aber der Jasmund ist noch zu sehen. Die Kreidefelsen nicht mehr, nur noch die obere bewaldete Kuppe. Etwas mehr als die Hälfte haben wir geschafft. Trotzdem wäre es immer noch kürzer, zurück nach Sassnitz als weiter nach Rønne zu fahren.
Wir nähern uns einem Verkehrstrennungsgebiet. Erstaunlich wenig Verkehr, hatte ich mir schlimmer vorgestellt. Trotzdem bin ich froh, dass ich es noch im Hellen überqueren kann.
Das Segelboot, das an Steuerbord zu sehen war, hat einige Meilen vor uns unseren Kurs gekreuzt und fährt jetzt weit vor uns, aber scheinbar nicht in Richtung Bornholm.
Wir beobachten den Sonnenuntergang. Irgendwie kommt mir die Szene aus „TITANIC“ in den Sinn: „Das war das letzte Mal, dass die Titanic das Tageslicht sah.“


Ich schalte die Positionslichter noch nicht ein, wie es eigentlich Vorschrift wäre. Wir haben nicht genug Strom. Wir werden sie nur einschalten, wenn es nötig ist, wenn sich ein anderes Boot oder Schiff nähert. Noch sind die anderen Fahrzeuge ohnehin deutlich zu sehen.
Aber wir legen die Lifebelts an. Wenn jemand im Dunkeln ins Wasser fällt, finden wir ihn nicht wieder.
Noch immer fahren wir unter Segel, 3, manchmal auch 4 Knoten. Auch Rügen ist inzwischen nicht mehr zu sehen, wir sind nun ohne Landsicht unterwegs. Das erste Mal. Außerdem unsere erste richtige Nachtfahrt. Die Kinder werden langsam müde. Ansgar hat sich in die Kajüte verkrochen, die Mädchen liegen auf den Cockpitbänken.
Es ist fast Vollmond, und deshalb ziemlich hell. Ein anderes ebenfalls unbeleuchtetes Sportboot wäre rechtzeitig zu erkennen. Auch der Kompass ist ablesbar, aber meist suche ich mir einen Stern, der auf unserem Kurs liegt.

Montag, 22.7.2013
Es ist nach Mitternacht. Voraus sind seit einiger Zeit Lichter zu erkennen, die sich nicht bewegen. Bornholm. Seit 15 Stunden sitze ich hier am Ruder, nur mit wenigen Unterbrechungen. Ich bin müde. Ab und zu trinke ich einen Schluck Cola, aber gegen die Müdigkeit hilft das nicht.
Das GPS zählt Meile für Meile. Die Lichter voraus werden langsam mehr. Mal auf die Karte schauen. Anna muss ans Ruder. Ich krieche in die Kajüte. Die Blitzlichter voraus werden wohl die zwei Masten mitten auf der Insel sein. Der Dreifachblitz rechts Dueodde. Vor Rønne liegt ein Sperrgebiet, das ich umfahren muss. Im Moment fahren wir genau darauf zu.
Wieder am Ruder versuche ich etwas anzuluven. Geht schlecht. Wir fahren schon ziemlich hoch am Wind. Also abfallen und rechts rum. Danach werden wir den Motor nehmen müssen.
Inzwischen sind deutlich die Lichter von zwei Ortschaften zu erkennen. Die linke ist Rønne, das rechte könnte der Flughafen sein.
Das Sperrgebiet liegt hinter uns. Aber voraus sieht es irgendwie merkwürdig aus. Während wir die Segel einholen und den Motor starten werden die Lichter deutlich weniger. Und als ich endlich wieder am Ruder sitze ist Rønne ganz verschwunden und auch von der anderen Ortschaft wird gerade der letzte Rest von einer grauen Masse gefressen.
Die Geschwindigkeit, mit der das geschieht ist unheimlich. Nebel? Ein Unwetter? Anna interessiert das nicht, sie hat sich wieder auf die Cockpitbank gekuschelt, die nun unter Motor endlich waagerecht ist.
Mond und Sterne verschwinden ebenfalls. Aber es ist kein Unwetter sondern „nur“ Nebel. Dicker fetter Nebel, die Sicht beträgt keine hundert Meter mehr. Die Positionslichter einschalten. Wiebke muss mit der Taschenlampe von der Seite den Kompass beleuchten. Der ist jetzt meine einzige Orientierung. Neben dem GPS. Hätte ich das nicht, bliebe mir nichts anderes übrig, als hier Anker zu werfen und zu warten, das der Nebel sich verzieht. Aber auch so ist es schwer genug nur nach Kompass den Kurs zu halten. Sobald man einen kleinen Moment nicht aufpasst dreht man ab.
Da fährt man nun stundenlang bei klarer Sicht auf diese Insel zu und nun, ein paar Meilen davor, diese Suppe. Ich versuche nach GPS die Hafeneinfahrt anzusteuern. Zuerst rund eine Seemeile westlich vom Hafen bis auf den richtigen Breitengrad. Dann Ostkurs.
Hätte ich nicht noch vor einer Stunde die Insel gesehen, würde ich nicht glauben, dass da vorn ein Hafen ist. Wir könnten überall sein, es ist nichts zu sehen. Noch 200 Meter. Nichts. Noch 100 Meter. Nichts. Oder doch? Langsam schält sich erst an Steuerbord, dann an Backbord, ein Licht aus dem Nebel. Ein waagerechter Lichtstreifen und ein senkrechter. Was soll das?
„Was hast du den erwartet?“ fragt Wiebke, als sie meinen verwunderten Blick bemerkt. „Ein rotes und ein grünes Licht.“ sage ich. Die tauchen kurze Zeit später dicht darüber auf. Vielleicht sind die anderen ein besonderes Zeichen bei Nebel? Immerhin waren sie deutlich eher zu sehen. Ein kleineres Schiff kommt uns entgegen. Sieht aus wie ein kleiner Ausflugsdampfer, aber es ist kein Mensch darauf zu sehen. Kein Wunder, früh halb fünf.
Vor uns liegt jetzt die Einfahrt zum Haupthafen, dort gibt es einige Plätze, wo man als Sportboot anlegen darf. Ich möchte aber zum Yachthafen, da müssen wir nach links. Immer an der Wand lang, bzw. Mole. Es ist fast eine Seemeile, bis wir in den Yachthafen abbiegen können.
Der Hafen ist sehr voll und die Stege liegen anders als auf der Karte gezeichnet. Wir fahren den ganzen Hafen ab und zu guter Letzt entdecke ich doch noch eine ganz normale freie Box, wie extra für uns frei gehalten.
Dina hat noch ein dringendes Bedürfnis. Dabei bezahle ich am Automat gleich noch die Liegegebühr, die ich mit VISA-Karte bezahlen kann. Die Gastlandflagge setze ich auch noch, dazu bin ich noch gar nicht gekommen. Dann lege ich mich in die Koje und bin nach wenigen Minuten eingeschlafen.

Am späten Vormittag wachen wir auf. Nicht weil wir ausgeschlafen hätten – wir sind noch müde – aber es ist drückend heiß in der Kajüte. Gegen die Sonne spannen wir eine Plane auf, die wir eigentlich für Regen mitgenommen haben, dann gibt es ein verspätetes Frühstück.
Wir sind auf Bornholm. Wir sind mit unserem kleinen Boot wirklich über das Meer bis nach Bornholm gesegelt. Ob schon mal jemand mit so einem kleinen Boot hier her gesegelt ist? Sicher, aber all zu häufig wird das nicht vorkommen.



Wir schauen uns die Strecke noch mal auf der Karte an. Dabei stellen die Kinder fest, dass es ja gar nicht mehr so weit bis Schweden ist. Na gut, heute Besichtigung Rønne, morgen Fahrt nach Ystad. Sind ja nur 38 Seemeilen. Nach den mehr als 70 Seemeilen von gestern ein Katzensprung.
Zu erst suchen wir einen Yachtshop. Den gibt es am anderen Ende des Hafens. Ein paar genauere Karten für die Fahrt nach Schweden will ich schon haben. Zwei Fender werden auch noch gekauft, die bereits vorhandenen zwei Kugelfender und ein winziger Langfender waren nicht gerade reichlich. Im Yachtshop kann ich mit Karte bezahlen. An einem Automat hole ich noch ein paar Kronen und dann gibt es erst mal Eis. Schön sind die engen Straßen mit den niedrigen Häusern und den Blumen davor. Anna meint, das sind Malven. Wir bummeln noch etwas durch die Stadt, kaufen ein paar Lebensmittel und dann geht es zurück zum Hafen.



Es ist nicht mehr ganz so heiß, trotzdem gehen wir noch mal an den nahe gelegenen kleinen Strand. Schließlich ist Sommerurlaub, da muss man auch mal baden. Hunde dürfen hier einfach so mit an den Strand. Das Wasser ist aber eiskalt.

Dienstag, 23.7.2013
Nach Brötchenkauf und Frühstück legen wir etwa 11 Uhr in Rønne ab. Gleich nach der Hafenausfahrt setzen wir die Segel, der Wind kommt mit Stärke 3 aus Nord. Für die Heimfahrt wäre das ideal, jetzt muss ich darauf achten, etwas Höhe zu machen. Lieber etwas mehr als nötig, falls er etwas auf West dreht. So halten wir uns auch gut frei von den High Speed Fähren, die laut Seekarte zwischen Rønne und Ystad verkehren.
Wir müssen ein Verkehrstrennungsgebiet überqueren, auf dem wir schon die ganze Zeit die Schiffe wie aufgefädelt fahren sehen. Wie sollen wir da durch kommen? Bei den nordwärts fahrenden Schiffen haben wir Glück. Wie auf Bestellung tut sich eine Lücke auf. Der Wind ist abgeflaut, wir haben die Segel eingeholt, unter Motor und Vollgas geht es durch die Lücke.
In der Mitte des Verkehrstrennungsgebiets, also der Trennzone, stehen massenweise Netzfahnen. Nach links und rechts so weit das Auge reicht und auch auf einem wesentlich breiteren Streifen, als die in der Karte eingezeichnete Trennzone von einer Seemeile Breite. Ausweichen unmöglich, es ist kein System zu erkennen. Mit leicht hochgekurbeltem Schwert fahre ich einfach drüber, in der Hoffnung, nicht hängen zu bleiben.
Die schwedische Küstenwache, die auf der anderen Seite auf- und abfährt, erinnert mich daran, das ich die Gastlandsflagge wechseln muss.


Aus dem Wasser backbords glotzt mich plötzlich ein Hund an. Bis ich realisiere, dass es eine Robbe ist, dauert es ein paar Zehntelsekunden. Sie taucht noch ein paar mal auf, so dass die Kinder sie auch noch sehen können, bloß für ein Foto reicht es nicht. Seehund, Sattelrobbe, Kegelrobbe, keine Ahnung was es war, aber nun haben wir in diesem Urlaub auch noch eine echte Robbe in freier Wildbahn gesehen.
Es kommt wieder etwas Wind auf, jetzt aus Südwest. Die Höhe, die wir vorhin mühsam ersegelt haben, wird uns nun zum Verhängnis. Ein gnädiger Winddreher hilft uns dann doch noch, die Landspitze bei Kåseberga zu umfahren. Die Weiterfahrt geht nun ganz entspannt.
Was ich aus der Ferne noch für Kitesurfer gehalten hatte erweist sich nun als eine Unmenge von Gleitschirmen, die hier an der Küste soaren. Oben an der Kante steht etwas, das mich, obwohl ich noch nicht dort war, an Stonehenge erinnert.


Der Wind hat zugenommen, erst Stärke 3, dann 4, es macht richtig Spaß, hier die Küste entlang zu rauschen. Schade, als wir dann den Motor anmachen müssen, für einen Anlieger nach Ystad hat die Höhe nicht ganz gereicht.
20 Uhr 30 fahren wir in den Hafen ein. Die Gästeplätze sind gekennzeichnet, leider ist alles voll. Doch zwischen zwei Päckchen finden wir noch eine Lücke, wo wir längsseits an der Kaimauer fest machen können.

Mittwoch, 24.7.2013
Am nächsten Morgen begebe ich mich auf die Suchen nach einem Geldautomaten. Nicht ganz einfach, der erste ist kaputt, aber als ich endlich einen anderen gefunden habe und mein Geld habe entdecke ich gleich 3 weitere, die ich hätte benutzen können. Dann kaufe ich Brötchen, koche Kaffee und wecke die Kinder, wie immer eine der schwierigsten Aufgaben des Tages.


Nach dem Frühstück gehen wir in die Stadt, Eis essen und Postkarten kaufen. Das was wir gestern gesehen haben war tatsächlich so ein Steinkreis, es gibt Postkarten davon.


Der Nachmittag vergeht für die Kinder mit Postkarten schreiben, jedes schreibt etwa 10 Stück, freiwillig! Ich beschränke mich auf 3 Stück und laufe in der gewonnenen Zeit zur nächsten Tankstelle, hier im Hafen gibt es nur Diesel. Viel sind wir zwar nicht mit Motor gefahren, aber ein Kanister war schon in Kröslin nicht mehr ganz voll. Für morgen über die Ostsee will ich drei ganz volle Kanister haben, laut Wetterbericht müssen wir genau gegen den Wind fahren. Wenn noch etwas vom Benzin übrig bleibt – umso besser, ich weis nicht, ob Glowe eine Tankstelle hat und in Sassnitz sind es drei Kilometer zu laufen. Den Inhalt unseres PortaPottis werden wir hier auch endlich los – bis nach Schweden muss man dafür fahren.
Am Abend gehen wir noch Pizza essen, schließlich ist das letzte Pizzaessen schon über eine Woche her. Während die Kinder am Live Ticker das Frauenfußball EM Halbfinale Schweden – Deutschland verfolgen, es gibt hier kostenloses WLAN, gehe ich zum Briefkasten und werfe einen 1,5 cm dicken Stapel Postkarten ein. (Trotzdem kommen sie verteilt über den Zeitraum von einer Woche an)

Donnerstag, 25.7.2013
Ich stehe 3 Uhr 45 auf. Aufs Frühstück verzichte ich, trotzdem dauert es bis 4 Uhr 25 bis ich los komme. Wir wurden gestern Abend noch ziemlich eingeparkt, da muss ich mich jetzt mühsam rausschlängeln. Die Kinder möchte ich nicht wecken, also muss es allein gehen.
Kurs nach Glowe. Die Kinder wollen endlich mal einen Strandtag. Für Morgen ist Sonnenschein angesagt.
Es ist kein Wind und wenig Welle. Trotzdem lege ich den Life Belt an. Unangenehmer Gedanke, aus dem Boot zu fallen und es davon fahren zu sehen. Unter Segel würde es recht bald in den Wind drehen. Aber unter Motor fährt es ziemlich lange gerade aus.
Um nicht einzuschlafen mache ich ein paar Experimente mit dem Motor: Wie schnell fahre ich und wie weit reicht eine Tankfüllung bei ¾ Gas? Wie bei Vollgas? Mit ersterem 4 Knoten und 6 Seemeilen, mit letzterem 4,8 Knoten und 5,8 Seemeilen. Da lohnt es sich kaum, nicht Vollgas zu fahren.
Ystad ist noch lange Zeit zu sehen. Zumindest das riesige Silo im Hafen. Aber nach 20 Seemeilen sehe ich nur noch das Meer. Irgendwann versuche ich es noch mal mit Segeln. Aber kaum hab ich die Segel oben, ist der Wind auch schon wieder weg. Irgendwann taucht vorn der Jasmund auf, etwas später auch Kap Arkona. Gegen Mittag kommen langsam die Kinder aus der Kajüte. Ich kann es ihnen nicht verübeln, so ereignislos wie diese Fahrt verläuft kann man sie ruhig verschlafen. Aber nun kann ich endlich etwas essen, weil ich die Pinne abgeben kann.


Auf der Höhe von Kap Arkona kommt doch noch etwas Wind auf. Stärke 3 aus West. So können wir die letzten Meilen noch segeln. Gegen 18 Uhr legen wir zum zweiten Mal in diesem Urlaub in Glowe an.

Freitag, 26.7.2013
Heute ist also Strandtag. Wie vorhergesagt, scheint die Sonne. Zuerst gehen wir aber einkaufen. Das ist recht oft nötig. Große Mengen Lebensmittel können wir auf unserem kleinen Boot nicht bunkern und kühlen sowieso nicht. Anschließend laufen wir die anderthalb Kilometer zum Hundestrand. Das Wasser ist heute relativ warm.

Sonnabend, 27.7.2013
Heute wollen wir nach Sassnitz. Vor 10 Tagen sind wir diese Strecke schon einmal gefahren. Mangelhafte Törnplanung. Aber Bornholm und Schweden waren nun mal nicht vorgesehen. Zur Abwechslung kommt der Wind heute aus Ost, besser Ostsüdost. Also Kreuzen. Der Wind kommt mit Stärke 3, später sogar 4. Guter Wind zum Segeln. Trotzdem dauert es einige Stunden, bis wir die 10 Seemeilen Höhe gemacht haben und nach Süden fahren können. Dafür wird der Winkel zum Wind jetzt mit jeder Seemeile, die wir fahren, besser, da die Küstenlinie immer weiter nach Westen abbiegt. Heute ohne Taube an Bord fahren wir zum zweiten Mal an Stubbenkammer und Königsstuhl vorbei. Bald liegt Sassnitz vor uns. Der Wind schläft allerdings ein. Als die Segel in der Dünung nur noch flappen und schlagen, starten wir für die letzte Meile doch noch den Motor. Zehn vor sechs legen wir in Sassnitz an.
Zur Abwechslung gehen wir heute mal so richtig schön essen. Backfisch mit Remoulade und danach noch Eis. Oft können wir das nicht machen, sonst werden wir arm.

Sonntag, 28.7.2013
Auch den größten Teil der heutigen Strecke sind wir in diesem Urlaub schon einmal gefahren. Wind aus Südost. Kreuzen können wir uns nicht leisten, denn es gilt die Randbedingung zu beachten, dass die Kinder 16 Uhr im Hafen sein wollen. Heute ist das Frauenfußball EM Finale Deutschland – Norwegen. Das hat man nun davon, wenn zwei der drei Kinder, darunter eine Tochter, aktiv Fußball spielen.
Gleich hinter der Hafenausfahrt steht eine unangenehme Welle, die erst weiter draußen auf See sanfter und ruhiger wird. Aber ab der Ansteuerungstonne Landtief können wir segeln, denn es wird klar, das der 16 Uhr Termin nicht zu halten sein wird. Immerhin haben wir UMTS-Empfang, so können die Kinder das Spiel im Live Ticker verfolgen.


Ich hangele derweil im nachlassenden Abendwind von Boje zu Boje. Pünktlich zu Spiel Ende laufen wir in die Marina Kröslin ein und ich habe die Kinder wieder für das Anlegemanöver zur Verfügung. Vorher hätte ich sie nicht vom Computer weg bekommen, denn die Schlussphase des Spiels war wirklich spannend. Nadine Angerer hält zwei Elfmeter. Nun sind die deutschen Frauen Europameister.

Montag, 29.7.2013
Heute soll es endlich nach Swinemünde gehen, denn sonst hätten wir ja die polnische Gastlandsflagge umsonst gekauft. Der Wind ist günstig, mit Stärke 4 aus Nord, der Rest des Wetters ist leider nicht so günstig: Regen. Zum ersten Mal, in diesem Urlaub. Weil wir bei allen Tätigkeiten außerbords auf Regenpausen warten, ist es schon 12 Uhr 10, als wir endlich loskommen.
Wieder einmal fahren wir das Fahrwasser am Ruden vorbei hinaus, heute unter Motor. Außer einem entgegenkommenden Fahrgastschiff sind wir die einzigen hier. Die wenigen anderen, die mit uns ausgelaufen sind, sind alle in den Greifswalder Bodden abgebogen.
Die letzte Boje haben wir hinter uns und biegen ab nach Südost. Jetzt unter Segel, Kurs Swinemünde. Wind und Welle sind ideal. Das Boot geht ab wie Schmidts Katze. Manch ein Segler wird diesen Ausdruck bei reichlich 5 Knoten belächeln, aber das ist für unser Boot eine gute Geschwindigkeit.
Der Regen wird stärker. Ich segle durch einen regelrechten Wolkenbruch. Die Sicht beträgt keine 100 Meter mehr. Um mich ist alles grau, ich segle auf einer Insel aus kochendem, spritzendem Wasser.
Die Kinder haben sich längst in die Kajüte zurückgezogen. Einzusehen, ich habe von uns allen auch das beste Regenzeug. Meine Frau hatte mir damals gut zugeredet, es zu kaufen, ein Sonderangebot bei COMPASS. Jetzt bin ich dankbar dafür.
Später lässt der Regen nach und es ist auch wieder die Küste von Usedom zu sehen. Mehrere Stunden segle ich so dahin, meist mit über 4 Knoten. Trotz des schlechten Wetters macht es Spaß.
Swinemünde kommt in Sicht. Allerhand Verkehr hier. Ein Frachter schert plötzlich aus der Fahrrinne aus und fährt einen Vollkreis. Bis ich begreife, dass das ein Ankermanöver werden soll, vergeht eine Weile.


Kurz hinter der Swinemündung geht mir beim Nachtanken der Motor aus. Es dauert eine Weile bis er wieder läuft. Das hat aber auch sein Gutes: Ich wäre sonst glatt an der Einfahrt zum Yachthafen vorbeigefahren. Der ist nämlich nicht erst 2 Meilen hinter der Mündung wie im Hafenhandbuch beschrieben, es ist weniger als eine.
Der Hafen ist groß, mit Schwimm- und Fingerstegen, es sind noch jede Menge Plätze frei. Die Liegegebühr muss in Złoty bezahlt werden, gleich neben dem Hafenmeistergebäude ist eine winzige Wechselstube. Eine Tankstelle mit Diesel und Benzin ist auch vorhanden, wir haben aber seit Kröslin fast nichts verbraucht.

Dienstag, 30.7.2013
Zurück soll es innen rum gehen, also Haff und Peenestrom. Auf der Kaiserfahrt zum Haff versuchen wir es mit Segeln. Durch den Windschatten der Bäume wird es aber ein Geduldsspiel und irgendwann geben wir entnervt auf.


Auf dem Haff erwarten uns Wind und Wellen aus West und jede Menge Fischernetze. Allerdings bevorzugen die polnischen Fischer eine andere Variante, bei der alle Stangen oben zur Wasseroberfläche rausschauen. Easy zu sehen und zu umfahren. Segelnd überqueren wir die deutsch-polnische Grenze.
Das Kreuzen ist mühsam und irgendwann so gegen 16 Uhr geben wir auf und nehmen den Motor. Schließlich wollen wir heute noch bis zum legendären Hafen Mönkebude, der einem immer von allen Seiten wärmstens empfohlen wird. Der Hafen ist tatsächlich ganz nett, wenn auch sehr voll. Wir bekommen die vorletzte Box.

Mittwoch, 31.7.2013
Heute geht es zum dritten mal nach Kröslin. Immer noch Westwind, eher Nordwest. Kaum aus dem Hafen draußen, ereilt uns ein kräftiger Regenschauer. Die Kinder verschwinden in der Kajüte, ich segle weiter in Richtung Fahrwasser. Dort angekommen geht es mit Motor weiter, das Fahrwasser ist links und rechts mit diversen Untiefen versehen. An dem eindrucksvollen Rest der Karniner Hubbrücke geht es weiter in Richtung Zecheriner Brücke. Die nächste Öffnung ist erst in drei Stunden. Das erste Mal in diesem Urlaub legen wir den Mast und ich bringe den Kindern bei der Gelegenheit schonend bei, dass wir dies heute noch einmal tun müssen.
Hinter der Brücke biegt das Fahrwasser ab in Richtung Nordost und wir können noch mal so richtig schön segeln. Dann wieder Motor, wir haben noch eine ganz schöne Strecke vor uns, und die zieht sich hin.
Die Brückenöffneung 16 Uhr 45 ist schon lange vorbei, als wir Wolgast erreichen. Aber wir haben jetzt Übung. Ohne auch nur das Gas wegzunehmen legen wir den Mast und fahren unter der Brücke durch.
Auch das letzte Stück zieht sich hin. Wir haben Strom gegen uns und die Geschwindigkeit über Grund beträgt selbst bei Vollgas nur noch 3,5 Knoten. Auch in der Einfahrt in die Marina steigt unsere Geschwindigkeit nur auf gerade so 4 Knoten an. Das ist doch nicht normal. Als wir angelegt haben „ernte“ ich mit dem Bootshaken vom Schwert einen riesigen Klumpen Seegras. Wo und wie wir uns den eingefangen haben weis ich nicht.

Donnerstag, 1.8.2013
Heute ist unser letzter „Seetag“. Mit einer riesigen Armada von Optis und Zweimannjollen, die ich aus Unkenntnis nicht näher benennen kann, verlassen wir den Hafen. Unter Segel. Der Wind kommt aus West, und wenn wir heute noch einmal segeln können, dann hier. Der Wind ist allerdings nur schwach und bald ist totale Flaute. Der Segellehrer hat Mühe, seine Opti-Herde zusammen zu halten, die sich in alle nicht vorhandenen Winde zu zerstreuen droht. Erst als wirklich nichts mehr geht, nehmen wir den Motor. Ein drittes Mal fahren wir durch die Knaakrückenrinne, diesmal andersrum. Dann Abbiegen in Richtung West. Die Abstände zwischen den Bojen sind hier ziemlich groß. Also erst mal nach Kompass losfahren, irgendwann sieht man die nächsten Bojen schon. Aber die Einfahrt in den Strelasund ist ja auch so kaum zu verfehlen. Wir fädeln uns zwischen den Stahlbroder Fähren durch, die natürlich genau dann losfahren, als wir in ihrer Schusslinie sind und versuchen es ein letztes Mal mit Segeln. Eine Seemeile schaffen wir so in einer halben Stunde. Dann kommt endlich die Marina Neuhof in Sicht. Unter der Saling flattern drei Gastlandflaggen: Dänemark, Polen und Schweden.


Eine ganze Menge Boote nehmen Kurs auf die Marina. Aber es sind genügend Plätze frei. Ein letztes Anlegemanöver.
Unser Törn Rund Rügen ist nun vollendet. Unser bisher planlosester Törn. Vor 19 Tagen sind wir hier losgesegelt. Nicht im Traum hätte ich daran gedacht, dass wir nach Bornholm und Schweden segeln würden. Bisher hatte ich immer großen Respekt vor dem offenen Meer, auch vor Abschnitten an den Außenküsten entlang. Aber auf dem Abschnitt Hiddensee – Glowe hat das Boot gezeigt, das mit ihm auch so etwas möglich ist, sogar bei Wind.
Natürlich darf man den Respekt vor dem Meer nicht verlieren. Beobachtung des Wetters ist, wenn man mit so einem kleinen Boot fährt, extrem wichtig. Und man muss auch mal umdrehen können. Oder gar nicht erst los fahren.

Mal sehen, wo es nächstes Jahr hin geht. Vielleicht über Darsser Ort hinaus in Richtung Westen. Bisher habe ich mir und dem Boot diesen langen Schlag nicht zugetraut – mit den Erfahrungen dieses Urlaubs schon.

Boot

Typ: FAM
Länge über Alles: 5,40 m
Breite über Alles: 2,05 m
Tiefgang ohne/mit Schwert: 0,3/1,1 m

Segelfläche:

Großsegel: 10,7 Quadratmeter
Fock: 4,5 Quadratmeter
Genua: 8,3 Quadratmeter

Verdrängung:
Boot: 435 kg
4 Personen, 1 Hund: 230 kg
Gepäck: etwa 120 kg
Gesamt: etwa 785 kg

Motor: Außenbord, 2,5 PS, Viertakt, 1 Liter Einbautank

Elektrik:

Batterie: 12V, 9Ah
Solarpanel: 20W, Fläche 40 cm * 40 cm
BSH-Beleuchtung (Zweifarblaterne, Hecklicht, Toplicht)
4W Leuchtstoffröhre zur Kajütbeleuchtung
für diverse Ladegeräte (Handy, Kamera, Laptop) ein selbst gebauter Rechteck-Wechselrichter

Törndaten

Gesamtstrecke: 441 Seemeilen
gesegelte Strecke: 252 Seemeilen
Strecke unter Motor: 189 Seemeilen
Die Entfernungen wurden jeweils abends auf der Karte ermittelt. Kreuzschläge wurden dabei nicht berücksichtigt. Die mit dem GPS gemessene Strecke ist deshalb länger und beträgt 465 Seemeilen.
Benzinverbrauch: 35 Liter