Kleine Ostseerunde - Sommer 2019


Heute Nachmittag habe ich meinen Arbeitskollegen noch erzählt, dass wir unseren Segeltörn in Arnis starten. Aber nun sitze ich vor dem Computer und betrachte die Windfinderprognose: Es ist zwar tatsächlich so, dass die nächsten 3 Tage Westwind vorhergesagt ist. Ziemlich kräftig sogar, bis Stärke 5. Aber dann soll der Wind für längere Zeit auf Ost drehen. Wahrscheinlich ist Rügen doch die bessere Wahl. Hier kann ich mich noch 2 oder 3 Tage im Schutz der Bodden aufhalten und dann nach Westen starten. Neuer Startpunkt ist also Lauterbach.

Sonnabend, 20.07.2019
„Papa, es geht nur ein Rücklicht.“ Gerade haben wir das Boot geslippt und mein Sohn hat die Lichtleiste des Trailers wieder angebracht. Ich teste die Blinker. Da geht auch nur einer. Bremslicht geht gar nicht. Zwar habe ich nicht vor, in 3 Wochen im Dunkeln nach Hause zu fahren, aber wenn wenigstens Blinker und Bremslicht funktionieren, das wäre schon nett. Ich schraube den Kupplungsstecker auf. Die meisten Kabel hat es aus den Kontakten gezogen, wahrscheinlich muss irgendwann mal Zug auf das Kabel gekommen sein. Vielleicht vorhin, als ich rückwärts an die Rampe rangiert bin, da war der Hänger mal ziemlich weit eingeschlagen.
Zum Glück sind wir relativ zeitig angekommen und ich habe ein Blatt mit der Anschlussbelegung des Kupplungssteckers dabei. Sogar mit den Farben der Kabel meines Hängers, die natürlich keiner Norm entsprechen. Eine Viertelstunde später sind die Kabel wieder festgeschraubt. Nun blinkt das Bremslicht und wenn ich bremse, leuchtet ein Rücklicht. Ich schraube den Stecker noch einmal auf. Aha. Auf dem äußeren Kontaktring bleibt der erste Kontakt frei. Da er wahrscheinlich selten benötigt wird, hat man ihn bei diesem Stecker erst gar nicht erst eingesetzt. Ich habe natürlich den ersten tatsächlich vorhandenen Kontakt frei gelassen. So sind alle Kabel um einen Kontakt versetzt. Nach einer weiteren Viertelstunde funktionieren dann alle Lichter wieder und ich kann den Trailer beruhigt auf dem Parkplatz abstellen. Der Urlaub fängt ja gut an.

Sonntag, 21.07.2019
Den Mast gestellt und die Segel angeschlagen haben wir dann noch gestern Abend. Brötchen gibt es gleich hier im Hafenkiosk. Es kann also recht bald losgehen. Gegen halb elf starten wir unter Motor in Richtung Strelasund.
Beim diesjährigen Törn sind wir erst mal nur zu zweit: Mein Sohn und ich. Beziehungsweise zu dritt, wenn man unsere Golden Retriver Hündin Dina mitzählt. Meine ältere Tochter hat ein Praktikum und meine jüngere hat noch Prüfungen, sie wird nächste Woche mit dem Zug nachkommen.
Der Wind kommt uns mit Stärke 4 ziemlich genau entgegen. Deshalb bleibt es erst mal bei der Motorfahrt. Die Wellen sind, da der Wind doch leicht vom Land her kommt, nicht hoch. Ansonsten verläuft die Fahrt recht ereignislos. Bist auf die Tatsache, dass sich irgendwann die Kugel des Kugelkompasses aus dem Gehäuse löst und auf die Cockpitbank rollt. Irgendwie elastisch im Gehäuse befestigt war sie von Anfang an. Jetzt nach 8 Jahren hat sich der Kleber gelöst. Die Kugel lässt sich aber wieder im Gehäuse festklemmen, irgendwann werde ich sie wieder richtig festkleben. Gestern die Lichtleiste, heute der Kompass…
Weit geht es heute nicht, nur bis Gustow. Der Hafen ist eine günstige Alternative für die stets ziemlich volle City Marina Stralsund und recht schön gelegen. Und frische Brötchen bekommt man hier auch. Die letzte Meile in die kleine Bucht rein können wir segeln. Schon 16:00 Uhr legen wir in einer der vielen freien Boxen an.
Nach einem Nachmittagskaffee im Cockpit gehe ich noch am nahen Strand baden. Das Wasser ist hier schön warm.

Montag, 22.07.2019
Schon kurz nach um zehn geht es heute los. Da der Wind immer noch aus West kommt, unter Motor. Leider gibt es nun ein Problem: Die Ziegelgrabenbrücke öffnet erst 12:20 Uhr. Das hieße fast anderthalb Stunden warten. Zu zweit ist Mast legen ziemlich schwierig: Einer muss weiter steuern, einer muss das Vorstag lösen und dem Mast ablassen und eine dritte Person muss den Mast im Cockpit entgegen nehmen und aufbocken. Wir entscheiden uns für eine andere Variante, wir fahren unter der 8 Meter hohen Rügendammbrücke hindurch. Vor Jahren haben wir dabei den Verklicker verbogen, aber mit ausreichender Schräglage müsste es doch eigentlich zu schaffen sein. So hoffen wir jedenfalls. Wasser und Benzinkanister und alle möglichen anderen schweren Dinge werden nach Steuerbord gebracht. Auch der Hund muss sich nach steuerbord legen und wir selbst lehnen uns möglichst weit aus dem Boot. In Schleichfahrt nähern wir uns der Brücke.
Aber es nützt alles nichts: Nach der Brückendurchfahrt ist der Verklicker nicht nur verbogen, sondern auch die rote Fahne ist verloren gegangen. Vorgestern die Lichtleiste, gestern der Kompass, heute der Verklicker… Naja, an dem waren wir nun selber schuld.
Zwei unserer vier Benzinkanister sind leer, deshalb fahren wir in Stralsund an die Bootstankstelle und tanken. Danach versuche ich noch, einen neuen Verklicker zu kaufen, aber der eine Bootsausrüster führt so was nicht und der andere hat bis 13:00 Uhr geschlossen. Fürs erste muss also ein weißer Zwirnsfaden, den ich am Backbordwant festbinde, als Ersatz dienen.
Nach Stralsund geht es mehr oder weniger nach Norden, wir können also segeln. Da das Fahrwasser etwas im Zickzack führt und der Wind eine kleine Nordkomponente hat ist es für uns manchmal ziemlich hoch am Wind. Trotz dem geht es gut voran.


Die letzte Meile nach Vitte geht es dann wieder mit Motor. Der Hafen ist, wie fast immer, gerammelt voll. Aber da wir das Schwert hochkurbeln können finden wir, wie schon einige Male, noch ganz in Ufernähe einen Platz am Steg. Heckpfähle gibt es hier nicht mehr, aber an Steuerbord können wir eine Leine zum Nachbarboot legen und an Backbord legen wir eine Leine zu einem ziemlich weit entfernten Pfahl, der dort etwas unmotiviert im Wasser steht.
Badewetter ist heute nicht, es regnet etwas. Trotzdem gehen wir noch mal auf die andere Seite der Insel an den Strand. Die Wellen hier sind ziemlich hoch, mal sehen wie das Wetter morgen wird.

Dienstag, 23.07.2019
Windfinder sagt für heute immer noch Westwind voraus. Aber nicht mehr ganz so stark wie gestern, nur noch Stärke 4, später nachlassend. Ich wollte schon immer mal außen rum um Hiddensee nach Barhöft, mal sehen ob das was wird.
Nach dem Brötchenkauf gehe ich noch mal an den Strand. Die Wellen sind immer noch beachtlich. Trotzdem will ich es heute versuchen, umdrehen kann ich ja immer noch.
Der Regen hat aufgehört, gegen elf geht es los. Unter Segel durch die verwinkelten, aber gut durch Tonnen gekennzeichneten Fahrwasser. Nach Norden raus bis zum letzten Bojenpaar, dann links. Ab hier muss wieder der Motor ran. Aus dem Schutz des Dornbusches raus werden die Wellen langsam höher. Aber sie sind langgezogen, rund ein Meter hoch, kein Problem.
Westlich des Dornbusches wird das Wetter, was schon die ganze Zeit ziemlich diesig war, immer dicker und auf einmal stecken wir völlig im Nebel. Krass, wo kommt der auf einmal her? Zum Steuern bleiben jetzt nur Kompass und GPS. Zum Glück warten hier keine besonderen navigatorischen Herausforderungen auf uns. Man darf nur nicht zu dicht an den Dornbusch kommen, dort lauern Steine. Also Kurs Südwest, später Süd.
Genauso schnell wie er gekommen ist, verschwindet der Nebel wieder. Die grüne Tonne 1 des Gellenfahrwassers ist zu sehen, ab hier geht es nach Süden. Der Wind hat etwas nachgelassen, wir setzen das Groß im 1. Reff. Es geht flott voran, an Backbord liegt Hiddensee, zum ersten Mal sehe ich die Insel von der Seeseite. Später können wir das Reff raus lassen und die Fock hinzunehmen.
Aus Richtung West, von Darßer Ort, kommen jetzt viele Boote. Wie aufgefädelt fahren sie bald vor und hinter uns im Fahrwasser. Links liegt jetzt der Gellen, der südlichste Teil von Hiddensee. Naturschutzgebiet, Betreten verboten. Vom Boot aus hat man noch die beste Möglichkeit diese Landschaft zu betrachten. Anfangs noch einige Bäume, später nur noch Gras und vereinzelte Sträucher.
Weiter geht es durch die Barhöfter Rinne, rechts liegt jetzt der Bock, bewaldet, ebenfalls Naturschutzgebiet. Voraus kommt der Hafen von Barhöft in Sicht. Er wurde letztes Jahr vergrößert und bietet jetzt ausreichend Platz, bisher wurde es hier recht schnell voll.
Wir legen uns ganz innen an die Spundwand. Letztes Jahr sollten wir da liegen, jetzt ist das eigentlich nicht mehr erwünscht, erfahren wir vom Hafenmeister. Für heute dürfen wir allerdings dort bleiben. Das ist für uns günstig, da wir längsseits liegen und den Mast legen können. So kann ich den Verklicker gerade biegen und die Fahne durch ein Stück selbstklebendes Reparatursegel ersetzen.
Ich bade noch an dem kleinen Strand, es geht aber elend flach rein, man muss weit laufen, bist man schwimmen kann.
18:00 Uhr ist an der Tankstelle Kanisterbetankung, ein Kanister ist schon wieder leer, für morgen, für den langen Schlag nach Warnemünde, möchte ich alle voll haben.
Später kommen dann die Mücken. In Scharen. Es ist wirklich das schlimmste an Mücken, was ich bisher erlebt habe. Selbst in Finnland war es nicht so schlimm. Sie kommen schneller durch die Ritzen des Lukendeckels, als man sie drinnen in der Kajüte erschlagen kann.

Mittwoch, 24.07.2019
Heute soll es nach Warnemünde gehen. Ohne Zwischenstop im Nothafen Darßer Ort sind das rund 50 Seemeilen. Eine ziemlich große Strecke für ein Boot von nur 5,4 Meter Länge. Einmal quer über die Ostsee ist genau so weit. Sinnvolle Höchstgeschwindigkeit ist irgendwas bei 4,8 Knoten. Mit viel mehr Gas oder bei gutem Wind kann man auch auf mehr als 5 Knoten kommen. Aber bei mehr Gas steigt der Kraftstoffverbrauch exponentiell und Wind ist auch keiner da. Also zeitig losfahren.
Mein erster Blick fällt, als früh um sieben der Wecker klingelt, auf die Kajütendecke. Dort sitzen etwa 50 vollgesogene Mücken. Ich erschlage 2 Handflächen voll und mühe mich aus der Koje.
Dank des frühen Aufstehens kommen wir ebenso früh los. 8:30 Uhr lösen wir die Leinen und gemeinsam mit vielen anderen Booten geht es wieder durch die Barhöfter Rinne hinaus auf die Ostsee.


Zuerst muss man noch ein Stück dem Gellenfahrwasser an der Westseite von Hiddensee folgen, die Wasserfläche links ist aus Naturschutzgründen gesperrt.
Zwischen den Tonnenpaaren 12/13 und 10/11 biegen wir nach links ab.


Es ist leicht diesig. An Backbord ist das Ufer der Halbinsel Zingst zu sehen, achtern versinkt Hiddensee im Dunst. So völlig ohne entgegenkommende Wellen macht das Boot unter Motor gute Fahrt. Alle eineinhalb Stunden tanke ich nach. Irgendwann taucht Darßer Ort mit Stahlgittermast und Leuchtturm auf. 12:25 passieren wir die Tonne Darßer Ort Ost und eine halbe Stunde später Darßer Ort West. Von nun an geht es weiter mit Kurs Südwest. Später kommt etwas Wind auf. Sogar aus einer günstigen Richtung, aus Nordost.


Den Motor lassen wir anfangs noch mitlaufen. Nur unter Segel sind es weniger als 3 Knoten. Unter normalen Umständen würden wir uns damit zufriedengeben, aber heute ist es nun mal eine lange Strecke und wir wollen irgendwann ankommen.
Später frischt der Wind etwas auf und wir können auf den Motor verzichten. Weit voraus tauchen die ersten Gebäude von Warnemünde auf. Plötzlich knallt es in der Takelage. Nach einem ersten Schreck stelle ich fest, dass das Boot ungerührt weiter segelt. Die Blöcke der Großschot liegen auf dem Cockpitboden, der Großbaum, der ohnehin weit ausgestellt war, hat sich an das Want gelegt. Der Wirbel, mit dem der obere Schotblock am Baum befestigt war, ist gebrochen. Einfach so. Naja, nicht ganz einfach so: So wie er verbogen ist, ist er vermutlich irgendwie verkantet unter Last gekommen. Jedenfalls gut, dass es in einer so harmlosen Situation passiert ist. Ich ersetze den Wirbel durch einen Schäkel. Die Schot ist jetzt fast uneingeschränkt weiter nutzbar. Wie war das? Lichtleiste, Kompass, Verklicker und jetzt der Wirbel…
Warnemünde mit der Marina „Hohe Düne“ kommt in Sicht. Die Häfen weiter innen in der Warnow sollen zwar mehr Flair haben, aber hier gibt es eine Tankstelle. Und nach meiner Erinnerung an vor 5 Jahren war es für unser kleines Boot auch gar nicht so teuer, trotz Goldschrift und Teppich im Hafenmeisterbüro.
Was nicht für die Pizzeria zutrifft, in die wir später noch essen gehen. Aber nach der langen Fahrt heute, habe ich keine Lust mehr, Essen zu kochen.

Donnerstag, 25.07.2019
Brötchen gibt es hier im Hafen, einen Wirbelschäkel leider nicht. Dann geht es los. Erst als wir die aus der Warnow kommende Fahrrinne bereits überquert und das Großsegel gesetzt haben, fällt uns ein, dass wir ja noch Tanken wollten. Also Segel wieder runter und zurück, schließlich war die Tankstelle einer der Gründe, hier zu übernachten. Die Tankstelle liegt in der hintersten Ecke der Marina. Ein Däne, der tanken möchte, ist auch schon da, was fehlt ist der Tankwart.
Der Däne war nur nicht penetrant genug, nach dem ich die Rufanlage ausreichend lange betätigt habe meldet sich tatsächlich eine Frauenstimme, die sagt, dass sie den Tankwart vorbeischicken wird.
11:00 Uhr ist es, als wir den Hafen zum zweiten Mal verlassen. Der Wind kommt mit 2 bis 3 Beaufort aus Nordost. Das ergibt ein schönes Segeln mit reichlich 3 Knoten. Bis nach Pöhl, wie angedacht, kommen wir so heute nicht. Da kämen wir ziemlich spät an und müssten womöglich den Motor nehmen. Das hatten wir gestern schon. Deshalb geht es heute nur bis Kühlungsborn.
Obwohl wir deshalb zeitig da sind ist der Hafen ziemlich voll, aber am Steg an der Mole ist noch eine Lücke zwischen zwei Booten frei, in der wir längsseits festmachen können. Unangenehm ist nur der Schwell, der von der Einfahrt quer durch den Hafen hier bei uns ankommt, denn der Wind kommt genau aus dieser Richtung.
An der Anmeldung im Hafenbüro steht eine ziemlich lange Schlange. Warum das so ist, merke ich, als ich dran bin. Der Computer in Warnemünde kannte von vor 5 Jahren den „Sägefisch“ noch, aber der Computer hier hat ihn vergessen. Das Boot muss neu angelegt werden, Name, Länge, Heimathafen, Wohnort und Adresse des Besitzers und so weiter.
Anschließend gehe ich noch baden, gleich neben dem Hafen ist der Badestrand. Ein EDEKA für den Lebensmitteleinkauf ist auch nicht weit.

Freitag, 26.07.2019
Da wir es gestern nicht geschafft haben, soll es heute nach Pöhl gehen. Trotz langer Schlange am Bäcker im Hafen geht es schon 10:00 Uhr los. Der Wind ist immer noch ideal, Stärke 3 aus Nordost. Mit fast 4 Knoten geht es schnell voran. Vorbei an Rerik, der Halbinsel Wustrow und der Zufahrt zum Salzhaff.
Irgendwann kommen die ersten Tonnen des Fahrwassers nach Wismar in Sicht. Die Fahrwasser sind verwinkelt, man sollte hier schon auf die Tonnen achten. Der Wind hat aufgefrischt und auf gute 4 und auf Ost gedreht, so dass wir inzwischen das 2. Reff eingebunden haben.
Da wir nach Timmendorf wollen, müssen wir erst an der Insel vorbeifahren und dann dem Fahrwasser folgend nach links abbiegen. Ich versuche schon mal den Großbaum von Backbord nach Steuerbord zu shiften, aber es gelingt mir nicht, der Winddruck ist zu stark. Ich überlege schon, eine Q-Wende zu fahren, aber es kommt mir doch komisch vor, dass ich den Großbaum nicht von Hand rüber kriege. Dann entdecke ich des Rätsels Lösung: Ich habe die Reffleine des 2. Reffs außen um das Want geführt, ich hatte mich beim Reffen schon gewundert, dass es so schwer ging. Man muss es nur richtig machen, nun geht alles ganz leicht.
Der Hafen ist schon ziemlich voll, aber für uns findet sich noch eine Lücke, wo wir mit unseren 2 Metern Breite gerade so zwischen einem Pfahl und einem Dickschiff durchschlüpfen können. 15:00 Uhr machen wir fest. So bleibt noch genug Zeit zum Baden und für eine Wanderung die Steilküste entlang.

Sonnabend, 27.07.2019
Heute wollen, beziehungsweise müssen wir nach Wismar. 16:40 Uhr kommt meine Tochter mit dem Zug an. Weit ist es heute nicht, nur so um die 8 Seemeilen.
Der Wind hat weiter gedreht und kommt mit Stärke 4 aus Südost. Also aus ziemlich genau der Richtung, in die wir wollen. So können wir nur die ersten Meilen segeln, dann muss der Motor ran. Hier in der Bucht sind die Wellen trotz des starken Windes nicht sehr hoch.
Schnell kommt Wismar in Sicht und hier müssen wir uns entscheiden: Mehrere Häfen stehen zur Auswahl. Der Altstadthafen hat das meiste Flair, aber wenn ich den Hafenführer richtig interpretiere auch die höchsten Kaimauern. Das ist nichts für Dina und sie jedes Mal beim Ein- und Aussteigen heben möchte ich auch nicht. So erhält der Westhafen den Zuschlag.
Es ist erst halb eins, als wir anlegen. So bleibt noch genügend Zeit zum Lebensmitteleinkauf. Außerdem schauen wir schon mal, wo der Bahnhof ist. In einem winzigen Bootsausrüster in der Innenstadt bekomme ich einen Wirbelschäkel. So ist die Großschot wieder voll einsatzbereit, wenn auch die Einschränkung durch die fehlende Beweglichkeit des oberen Blocks am Großbaum kaum spürbar war.
Später hole ich dann meine Tochter vom Bahnhof ab. Und zur Feier der nun vorhandenen Vollzähligkeit der Mannschaft gehen wir heute noch mal Pizza essen.

Sonntag, 28.07.2019
Der Wind hat zurück gedreht auf Nordost, Stärke 4. Für heute Nachmittag ist auch 5 angesagt. Das ist mir zu viel, bei der Richtung könnte das ziemlich hohe Wellen ergeben. Das Wetter ist schön, wir fahren heute noch mal nach Timmendorf und machen einen Strandtag.
Segeln ist wieder nur für einige Meilen möglich. Der Timmendorfer Hafen ist voll, heute ist hier Tag der Seenotretter. Aber unsere Lücke von vorgestern ist noch frei. Vor dem Trubel fliehen wir an den Strand, da wir ziemlich weit abseits an den Hundestrand müssen, ist es hier nicht mehr so voll wie in Hafennähe. Das Wasser ist auch hier kalt, aber immerhin etwas wärmer als in Kühlungsborn, wo die Wassertemperatur dem Namen des Ortes alle Ehre machte.

Montag, 29.07.2019
Heute soll es nach Neustadt gehen, das hatten wir bei unserem Törn vor 5 Jahren übersprungen. Der Wind hat nachgelassen und kommt mit Stärke 3 immer noch aus nordöstlicher Richtung.
Nach Brötchenkauf und Frühstück geht es los. Die Fahrwasser sind wieder verwinkelt, wir kürzen etwas ab, dafür müssen wir genau nach Karte fahren und einigen Flachs mit Steinen ausweichen. Das Wasser ist klar, teilweise können wir bis auf den Grund sehen. Das Segeln macht Spaß und es geht flott voran.
Der Wind lässt nach. Es wird etwas diesig und eine gewittrige Stimmung breitet sich aus. Das Boot macht nur noch 2 Knoten Fahrt. Eigentlich kein Problem, mit 22 Seemeilen ist die heutige Tagesetappe nicht sehr weit, wir haben Zeit. Aber wegen der Gewitterstimmung nehme ich irgendwann doch den Motor.
Allmählich ziehen von Süden dunkle Wolken herauf. Aber Neustadt ist nicht mehr weit. Noch fern sind die ersten Blitze zu sehen. Wir fahren links in die große Marina, weil wir hier tanken wollen. Und hier bleiben wir auch, obwohl es nicht all zu idyllisch ist. Ich habe aber keine Lust, mir bei Starkregen und Gewitterböen drüben im Stadthafen einen Liegeplatz zu suchen. Hier können wir gleich am Wartesteg der Tankstelle liegen bleiben.
Ganz so schlimm wird es dann doch nicht. Es regnet eine Weile aber das Gewitter zieht weit landeinwärts vorbei.

Dienstag, 30.07.2019
Nieselregen. Es dauert eine Weile, bis wir uns zum Aufstehen entschließen können. Wir brauchen Lebensmittel. Von hier bis in die Stadt ist es ziemlich weit zu laufen. Die Brötchen fürs Frühstück bekommen wir hier im Hafen, fahren wir also zum Lebensmitteleinkauf nach Grömitz, vielleicht hat der Regen dann ja auch aufgehört.
Gegen 11:00 geht es los. Unter Motor, der Wind kommt immer noch aus Nordost. Nicht sehr stark, die ebenfalls aus Nordost kommenden Wellen sind kein Hindernis. Die Fahrt verläuft ziemlich ereignislos. Man sieht bei dem trüben Wetter eigentlich nur am Meilenzähler des GPS, dass man vorwärtskommt.
Irgendwann kommt der Hafen von Grömitz in Sicht. Ich will noch mal nachsehen, ob sich das mit den Angaben auf den GPS deckt, aber es ist aus, das Display ist gleichmäßig grau. Nanu, ich hatte doch erst vor kurzem die Batterien ausgetauscht? Dann sehe ich das Malheur, es tropft Wasser aus dem Gerät. Mist. Vor zwei Jahren war es noch dicht. Da war in der Jackentasche neben dem GPS nur der Fotoapparat abgesoffen. Nun hat sich der Gummi an den Stellen, wo die Tasten sind, durchgerieben. Das Wasser, das aus dem Gerät tropft, schmeckt salzig. Eigentlich sollte es ja vom Regen nur Süßwasser sein, aber wahrscheinlich war genügend Salz auf meiner Regenjacke.
Natürlich: Lichtleiste, Kompass, Verklicker, Schotwirbel und nun das GPS…
Ich entferne erst mal die Batterien aus dem Gerät. Das es nicht mehr geht ist keine Katastrophe, den Hafen finden wir auch so, er ist ja schon zu sehen. Eigentlich navigiere ich ohnehin meist auf Sicht, das GPS läuft nur zur Trackaufzeichnung mit. Und manchmal lese ich die Entfernung und die Geschwindigkeit ab, ein Log haben wir nicht.
Im Hafen gibt es einen Yachtausrüster, hier bekomme ich einen neuen Verklicker. Beim anschließenden Gang in die Stadt kaufe ich neben Lebensmitteln noch eine Flasche Spiritus. Auf die Weise habe ich schon mal eine Fernbedienung gerettet, die den Kindern in Fruchtsaft gefallen war: Das GPS-Gerät wird in eine Plastedöschen, das mit Spiritus gefüllt ist, gelegt. Etwas drehen und wenden, damit die Luft entweicht. Warten, bis es richtig vollgelaufen ist. Rausnehmen, abtropfen lassen und die Prozedur wiederholen. Dann trocknen lassen. Leider kann ich es nicht in die Sonne legen, das Wetter ist immer noch trübe und regnerisch.

Mittwoch, 31.07.2019
Das GPS-Gerät funktioniert wieder. Naja, mal sehen wie lange. Heute soll es nach Heiligenhafen gehen. Rund 25 Seemeilen, eine anständige Strecke. 10:30 geht es los. Der Wind kommt aus Ost. Vorerst noch schwach, deshalb nehmen wir zusätzlich zu den Segeln noch den Motor. Doch das ist bald nicht mehr nötig, der Wind nimmt zu auf 3 Beaufort, das Boot läuft mit fast 4 Knoten. Es ist zwar kein Regen mehr, wie gestern, aber es ist immer noch diesig, von der Küste ist nicht viel zu sehen.
Das GPS geht von Zeit zu Zeit aus. Da muss wohl nächstes Jahr ein neues her. 2012 habe ich es gekauft, 7 Bootsurlaube hat es gehalten. Sonst habe ich es selten benutzt.
Langsam kommt die Fehmarnsundbrücke in Sicht. Hier erfordert die Navigation wieder etwas mehr Aufmerksamkeit. Unter der Brücke durch können wir noch Segeln, aber dann lässt der Wind nach.


Für die letzten Meilen bis Heiligenhafen nehmen wir wieder den Motor.
Mein Sohn wird morgen mit dem Zug nach Hause fahren, ein Freund von ihm war ein Jahr in Neuseeland, mit ihm will er in der letzten freien Ferienwoche noch etwas unternehmen. Deshalb gibt es heute zum Abschied noch mal Pizza.
Es wird langsam Zeit, zu überlegen, wie es weiter gehen soll. Weiter nach Westen, durch die dänische Südsee und mit dem Zug das Auto holen? Oder zurück nach Rügen? Vielleicht auf der dänischen Seite? Hier an der dänischen Südküste waren wir noch nie und Hiddensee-Klintholm wollte ich schon immer mal fahren.
Obwohl der Vorhersage nach, der Wind in den nächsten Tagen für die westliche Variante etwas besser wäre, gibt letztlich der Wunsch meiner Tochter, die Störtebekerfestspiele zu besuchen, den Ausschlag: Rødbyhavn, Gedser, Klintholm, Hiddensee. Der Wind soll die nächsten Tage schwach aus östlichen Richtungen kommen und am Sonntag etwas auffrischen und auf West drehen.

Donnerstag, 01.08.2019
Da der Bus meines Sohnes zum Bahnhof recht zeitig fährt, fahren wir schon kurz nach neun los. Wie vorhergesagt ist fast kein Wind. Unter Motor verlassen wir die lange schmale Bucht des Hafens von Heiligenhafen. Obwohl wir Fehmarn westlich umrunden wollen, müssen wir erst mal weit nach Osten, Abkürzen ist hier nicht möglich. Auch zu Fehmarn sollte man ausreichend Abstand halten, die westliche Küste hat einige mit Steinen versehene Flachs zu bieten. Da wir dazu nach Westen müssen, können wir sogar ein Stück segeln.
Die Kugel des Kompasses, die in den letzten Tagen wiederholt rausgefallen war, verliert nun auch Flüssigkeit. Zum Glück habe ich noch einen Handpeilkompass. Es ist diesig, die dänische Küste ist noch nicht zu sehen, wir sind auf den Kompass angewiesen.
Irgendwann taucht die dänische Küste doch noch aus dem Dunst auf, aber es dauert noch eine ganze Weile, bis wir erkennen, wo wir hinmüssen und auf Sicht fahren können. Die Fähren, die dasselbe Ziel ansteuern wie wir, sind dabei hilfreich.
Vorher ist noch die Fahrrinne zu überqueren, die in der Mitte des Fehmarnbelts verläuft. Wir haben Glück, bei den von links und auch bei den von rechts kommenden Schiffen tut sich jeweils eine Lücke auf, so dass wir sicher mit ausreichendem Abstand durchkommen.
Der Hafen von Rødbyhavn besteht zum einen aus dem Fährhafen, zum anderen aus einem großen rechteckigen Hafenbecken, in dem einige Traditionsschiffe und einige größere Yachten liegen und einem kleinen Sportboothafen im äußeren westlichen Teil des Hafens. Dieser hat Stege, hier machen wir fest. Von ein paar Dänen, die vor einer Art Vereinsgebäude sitzen, erfahren wir den Code zum Sanitärgebäude, welches sich an der Südwestecke des großen Hafenbeckens befindet. Ein Hafenmeister ist nicht anwesend. Am Hafenmeisterbüro hängt eine Anleitung zum Bezahlen per Smartphone, welche ich in Ermangelung eines solchen Teils nicht nutzen kann. So liegen wir heute hier kostenlos.
Etwa 1 km im Ort gibt es einen „Dagli‘Brugsen“ und eine Tankstelle. Letztere benötigen wir dringend, da unsere Benzinvorräte nur noch aus wenigen Litern bestehen und uns auch morgen eine längere Motorfahrt bevorsteht. Einen Badestrand gibt es auch, das Wasser hier im Belt ist erstaunlich warm.
Dann kümmere ich mich noch um den Kompass. Die Kugel kann ich mit mit Meerwasser auffüllen. Zum Verschließen muss der Kleber herhalten, den ich mir vor ein paar Tagen gekauft habe, um die Sohlen meiner Sandalen zu kleben, die hatten sich abgelöst. An der Grenze, wo sich der Rest der Kompassflüssigkeit mit dem Meerwasser trifft ist die Flüssigkeit milchig, aber das gibt sich mit der Zeit. Diesen Urlaub wird es hoffentlich halten, aber auf lange Sicht muss wohl ein neuer Kompass her.

Freitag, 02.08.2019
Freitag, in einer Woche müssen wir uns auf den Heimweg machen, wird mir bewusst, als ich den neuen Tag auf meiner Loseblattsammlung eintrage, die mir als Logbuch dient.
Wir warten die Ausfahrt einer der großen HYBRID FERRYs ab und folgen ihr in ihrem noch leicht schaumigen Kielwasser aus der Hafenausfahrt. Nach dem zweiten Tonnenpaar biegen wir links ab.
Über viele Meilen geht es jetzt an der Südküste von Lolland entlang. Später ist es nur noch eine schmale Landzunge und noch später eine Sandbank, die das offene Meer von der Bucht vor der Einfahrt in den Guldburgsund trennt.


Die Sandbank ist nicht sichtbar, man kann sich hier an der nördlichen Grenze des riesigen Windparks orientieren. Hinter dem Windpark folgen wir einer betonnten Fahrrinne in die Bucht, das erspart einem später die Passage der engen Fahrrinne zwischen dem Rødsand und Gedser. In der Fahrrinne können wir segeln, später versuchen wir in der Bucht in Richtung Gedser aufzukreuzen, was wir allerdings bald aufgeben denn der Wind ist zu schwach und wir kommen kaum vorwärts.
Der Sportboothafen von Gedser ist nicht groß, es sind aber noch einige Boxen frei. Wir waschen eine Waschmaschinenladung Wäsche und gehen während dessen in den Ort, in dem sich wieder ein Lebensmittelladen und eine Tankstelle zum Auffüllen der Benzinvorräte findet.
Das WLAN funktioniert nicht, aber im Hafenmeistergebäude befindet sich ein Computer, den man von außen bedienen kann, hier rufe ich den Wetterbericht für morgen ab.

Sonnabend, 03.08.2019
Heute soll es nach Klintholm gehen. Eine ziemlich lange Strecke, fast 40 Seemeilen. Nach Barhöft wäre es auch nicht viel weiter, aber davon habe ich erst mal wegen der Mücken die Nase voll. Und nach Klintholm wollte ich schon immer mal. Für unsere Verhältnisse zeitig, so gegen 9:40 Uhr, geht es los. Unter Segel durch die schmale Fahrrinne in Richtung Fährhafen. Es herrscht eine ziemlich starke Strömung, die uns auch mal gegen eine der zahlreich vorhandenen Bojen drückt. Dann queren wir das Fahrwasser der Fähren und umrunden die Südspitze von Falster. Von nun an geht es nach Norden, besser gesagt Nordnordost.
Da wir nicht der Küste folgen, sondern eine gerade Linie nach Klintholm fahren, ist das Land an backbord bald einige Seemeilen entfernt, es ist nicht viel zu sehen. Nur die Anzeige des GPS, das jetzt wieder zuverlässig funktioniert, zeigt dass wir vorwärtskommen. Da der Wind etwas auf West dreht, können wir von Zeit zu Zeit auch wieder segeln. Langsam kommt Klintholm in Sicht, die berühmten Kreidefelsen der Insel Møn sind allerdings von hier aus nicht zu sehen.
Der Hafen ist recht gut gefüllt. Gleich aus der ersten Boxengasse kommen uns zwei Yachten entgegen, die keinen Platz gefunden haben. Trotzdem winken uns Leute aus genau dieser Gasse zu, hier seien noch Plätze frei. In einer ziemlich langen aber schmalen Box machen wir dann fest, die anderen Yachten waren schlicht und einfach zu breit.
An der Tankstelle im Hafen fülle ich noch mal 2 Kanister mit Benzin, der Vorrat muss jetzt, inklusive des Abstechers nach Ralswik, bis Stralsund oder wenigstens bis Schaprode reichen. Anschließend gibt es noch Eis. Schließlich ist das letzte Eis schon eine Woche her. Das ist eindeutig zu lang, meint meine Tochter.

Sonntag, 04.08.2019
Seit Tagen habe ich mit Spannung den Wetterbericht für diesen Tag verfolgt. Und die Prognose ist noch immer fast die gleiche wie vor 4 Tagen in Heiligenhafen: Wind aus West mit Stärke 3, später 4, wenn auch dicht an der Grenze zur 3. Etwas weniger wäre mir lieber, bisher war es meist, wenn wir die langen Strecken über die Ostsee gefahren sind, 2 oder maximal 3. Immerhin ist die Richtung günstig. Und auch nur ein halber Meter Welle sagt Windfinder.
40 Seemeilen sind es bis Vitte, deshalb fahren wir schon gegen 8:45 Uhr los. Der Wind kommt mit Stärke 3 aus West, wie vorhergesagt, optimal. Mit 3 bis 4 Knoten geht es schnell voran. An Backbord achteraus sind jetzt auch die Kreidefelsen zu sehen. Ich habe sie schon mal gesehen, als Kind, das ist lange her. Wir waren auf dem Campingplatz am Bakenberg, im Norden von Rügen. Eines Abends war von der Steilküste aus im Nordwesten Land zu sehen. Es war so eine Art Luftspiegelung, es reichte, einige Meter zur Seite zu gehen, schon sah man nichts mehr. Das Schauspiel wiederholte sich mehrere Abende hintereinander. Und irgendjemand meinte, das müsse Møn sein, das läge in dieser Richtung.


Die Fahrrinne der Großschifffahrt ist bald erreicht. Fast die Hälfte der Strecke übers offene Meer liegt hinter uns. Der Wind hat allerdings langsam aufgefrischt. Erst binde ich das erste Reff ein, dann das zweite und schließlich rolle ich auch das Vorsegel ein. Der Wind hat auf Südwest gedreht und somit kommen jetzt auch die Wellen aus dieser Richtung. Da wir Kurs Ostsüdost fahren kommen sie fast genau von der Seite. Da manche inzwischen fast ein Meter hoch sind ist das unangenehm, das Boot legt sich, wenn es von einer solchen Welle getroffen wird, weit auf die Seite. Kämen die Wellen von hinten oder von vorn, wäre es kein Problem. Aber ich kann mir den Kurs nun mal nicht aussuchen. Ich gehe dazu über, immer wenn ich eine solche Welle heranrollen sehe, das Heck in Richtung Welle zu drehen. So ist es wesentlich angenehmer, erfordert aber konzentriertes Steuern. Und es wird noch einige Stunden dauern.
Voraus ist inzwischen der Dornbusch zu sehen, so habe ich eine Landmarke, nach der ich steuern kann. Das ist wesentlich angenehmer als nach Kompass.
Außer uns sind eine ganze Menge Boote unterwegs. Auch ein paar Traditionssegler und ein Rettungskreuzer. Der schleppt irgendein seltsames Teil ab. Ziemlich groß, so dass ich es aus der Ferne für ein Containerschiff hielt.
Der Wind weht inzwischen mit gut 4, in Böen sicher 5. Die Wellen sind einen reichlichen Meter hoch, von den ganz hohen kommen jetzt immer mehrere hintereinander. So lange muss ich das Heck dann immer in den Wind drehen, was passiert, wenn ich es nicht tue, will ich nicht ausprobieren. Das konzentrierte Steuern über Stunden strengt an.
Langsam kommt der Dornbusch näher. Aber ich muss noch ein ganzes Stück um ihn herum fahren, bis es ruhiger wird. Nach den letzten Stunden ist die Ruhe eine Wohltat. Der Wind hat offensichtlich wieder etwas nach West gedreht, da ich bis zu der Stelle, wo das Libbenfahrwasser den Rassowstrom kreuzt, segeln kann. 36 Seemeilen sind es bis hier, Schnitt 3,7 Knoten, rechne ich aus.
19:15 Uhr machen wir in Vitte Lange Ort fest. Im Gegensatz zu vor zwei Wochen hat sich der Hafen wesentlich geleert, selbst jetzt um diese Zeit sind noch einige Boxen frei.

Montag, 05.08.2019
Heute haben wir früh endlich mal wieder etwas Zeit. Die letzten Tage waren immer größere Strecken zu fahren, heute sind es nicht mal 20 Seemeilen. Zuerst gehe ich in den EDEKA einkaufen. Ein paar Lebensmittel und frische Brötchen. Dann in Ruhe frühstücken.
Erst nach 11:00 Uhr geht es los. Der Wind ist schwach und aus Ost, deshalb unter Motor. Durch den Rassowstrom geht es nach Osten. Die „Wappen von Breege“ überholt uns. Es sitzen nur wenige Leute drin, ob sich das lohnt?
Es geht an der Wittower Fähre vorbei. Früher, wenn wir am Bakenberg gezeltet haben, sind wir oft damit gefahren. Das Fährschiff ist jetzt natürlich ein anderes. Auf der Fähre damals lag in der Mitte noch das Gleis der Schmalspurbahn nach Altenkirchen. Da habe ich mich als Kind darüber gewundert, da es die Bahn auch damals schon nicht mehr gab. An das alte Schiff erinnern nur noch die alten trichterförmigen Anlegestellen.


Bei Breege biegt das Fahrwasser rechtwinklig nach Südost in den Großen Jasmunder Bodden ab. Etwas später können wir dann auch segeln.
15:45 Uhr machen wir in Ralswik fest. Es sind noch ausreichend Boxen frei. Ich gehe als erstes Karten für die Störtebecker-Vorstellung kaufen. Anschließend esse ich auf dem ersten Hochseefischkutter der DDR, der „Elbe“, noch ein Backfischbrötchen.
Es lohnt sich, zu den Störtebeckerfestspielen ein paar Stunden eher an zu reisen. Es herrscht hier eine wunderbar entspannte Atmosphäre, man kann am Wasser in der Sonne sitzen, ein paar Kinder baden im flachen Wasser des Bodden.
Die Vorstellung ist sehr schön, auch wenn Dina etwas nervös ist, da die ersten Kanonenschüsse gleich am Anfang fallen. Das Abschlussfeuerwerk nimmt sie dann relativ gelassen.
Nach der Vorstellung dränge sich auf der Straße die Menschen, Busse quetschen sich durch die Menge, die „Wappen von Breege“ ist bis auf den letzten Platz besetzt. Wir haben es einfach, wir brauchen nur die paar Meter bis zum Hafen aufs Boot zu gehen.

Dienstag, 06.08.2019
Heute geht es zurück nach Hiddensee. Der Wind kommt aus Westnordwest mit Stärke 2. Hoch am Wind geht es über den Großen Jasmunder Bodden. Allmählich wird der Wind stärker und wir binden erst das erste und später das zweite Reff ein. Am Ausgang des Boddens holen wir die Segel ein und starten den Motor. Denn nun geht es fast genau gegen den Wind. Der hat inzwischen auf Stärke 4 bis 5 zugelegt. In dem flachen Wasser kommt uns eine kurze steile Halbmeterwelle entgegen, in der sich das Boot immer wieder feststampft. Erstaunlich, auf welche kurze Strecke die Wellen diese Höhe erreichen. Die Boote, die uns entgegenkommen haben es wesentlich besser. Mit nur kleinen Segelflächen erreichen sie beachtliche Geschwindigkeiten.
Ab der Wittower Fähre wird es besser, die Wellen sind nicht mehr ganz so hoch, auch der Wind lässt etwas nach. Dafür stelle ich fest, dass der Stecker des Kabels, das zur Lichtspule des Außenbordmotors führt, verloren gegangen ist. Das Kabel hängt jetzt lose ins Wasser. Eigentlich nicht schlimm, die Batterie wird auch noch von der Solarzelle geladen. Und die stromhungrigen Smartphones der beiden anderen Kinder sind nicht da. Wiebke hat war auch eins, aber sie benutzt es kaum. Trotzdem habe ich es gern, dass das was da ist, auch funktioniert.
Im Hafen von Vitte, in dem wir bald darauf in diesem Urlaub zum dritten Mal anlegen, finde ich in der Werkzeugkiste tatsächlich noch zwei Bananenstecker. Damit lässt sich der verloren gegangene Stecker ersetzen.
Eigentlich war ja erstaunlich lange nichts mehr passiert: Lichtleiste, Kompass, Verklicker, Wirbel, GPS und heute dieser Stecker. Naja, die Sandalensohle, die ich zweimal wieder ankleben musste passt noch in diese Reihe. Und die abgelöste Gummikante der Scheuerleiste habe ich auch noch nicht erwähnt. Die hält jetzt ein Gummistraps. Und da war noch das abgefallene Gehäuse der Seiltrommel der Rollreffanlage. Weiter fällt mir erst mal nichts ein…

Mittwoch, 07.08.2019
„Kein Wind aus Süd“ habe ich ins Logbuch geschrieben. Nach dem Frühstück mit frischen Brötchen geht es los. Heute ist Tag der Dickschiffe. Im Fahrwasser nach Vitte kommt mir schon das erste entgegen, im weiteren Verlauf des Fahrwassers nach Stralsund drei weitere. Nicht dass es ein Problem wäre. Aber sonst ereignet sich auf der Fahrt eigentlich nichts. Der Motor brummt zufrieden vor sich hin und wir genießen die Landschaft.
Schon 14:45 Uhr machen wir in der Citymarina Stralsund fest. Dank unserer zeitigen Ankunft sind noch einige Boxen frei.
Als ich später mit zwei vollen Benzinkanistern von der Tankstelle komme, hat sich der Hafen sichtlich geleert, dafür ist jetzt draußen vor dem Hafen einiges los. Jede Menge Segelboote, von der Jolle bis zum großen Fahrtenschiff, fahren scheinbar ziellos auf und ab und immer noch weitere Boote verlassen den Hafen und gesellen sich dazu. Es ist Mittwochsregatta, fällt mir irgendwann ein.
Den Start bekomme ich nicht mit, weil ich noch ein Backfischbrötchen essen möchte und dazu den halben Hafen umrunden muss, weil der Kutter gleich an der Mole keine mehr hat. Von der Mole aus lässt sich die Regatta gut verfolgen. Durch die unterschiedlichen Bootstypen zieht sich das Teilnehmerfeld weit auseinander. Nicht die großen Yachten mit den Laminatsegeln sind die schnellsten, sondern irgendeine kleine Jollenklasse macht im Endeffekt das Rennen. Den Zieleinlauf der letzten Boote warten wir nicht mehr ab, weil wir heute am vorletzten Abend des Urlaubs noch mal Pizza essen gehen.

Donnerstag, 08.08.2019
Die Öffnungszeiten der Ziegelgrabenbrücke sind ungünstig verteilt. 8:20 Uhr öffnet die Brücke und das nächste Mal erst wieder 12:20 Uhr. Eine Öffnung so um 10:00 Uhr wäre nicht schlecht. Die gibt es aber nicht und deshalb bin ich schon kurz nach halb sieben beim Bäcker, um sieben gibt es Frühstück. Und kurz nach 8:00 Uhr geht es los.


Vor der Brücke stauen sich die Boote, aber als sie sich endlich öffnet fährt erst mal ein riesiges Frachtschiff in der Gegenrichtung durch.
Kurz hinter der Brücke setzen wir die Segel. Der Wind kommt kräftig aus West, im Laufe des Tages soll er laut Vorhersage Stärke 5 erreichen. Das sollte aber kein Problem sein, auf dem Weg nach Lauterbach segeln wir in der Landabdeckung von Rügen.
Vorerst geht es durch den Strelasund. Die Boote, die alle fast gleichzeitig durch die Ziegelgrabenbrücke gekommen sind verteilen sich schnell, die meisten sind vor und einige wenige hinter uns. Zeitweise segeln wir Schmetterling, es geht schnell voran.
Am Ausgang des Strelasund gibt es von Rügen ausgehend einige Flachs, die Ecke sollte man also nicht allzu sehr abkürzen. Der Wind hat inzwischen auf 5 aufgefrischt, aber wie vermutet sind die Wellen durch die Landabdeckung nicht sehr hoch. Wir binden wieder das 2. Reff ein. Das Segeln macht so am letzten Tag unseres Urlaubs noch mal so richtig Spaß. So gesehen viel zu früh, wettertechnisch gesehen aber gerade noch rechtzeitig, erreichen wir kurz nach zwei Uhr Lauterbach, denn es hat sich zugezogen, über dem Ort sind die ersten Blitze zu sehen.
Im Hafen spannen wir die Regenplane auf, aber irgendwie löst sich nach einigen Tropfen alles in Wohlgefallen auf und auch der Wind lässt nach, so dass ich später sogar noch mal baden gehen und die Boxengasse auf und ab schwimmen kann.

Freitag, 09.08.2019
Ein letztes Mal Frühstück auf dem Boot. Dann laden wir das Gepäck auf einen Handwagen und fahren es zur Sliprampe. So können wir das Gepäck ins Auto laden ohne unnötig lange den Steg an der Rampe zu blockieren. Dann riggen wir das Boot ab. Den Mast legen wir erst am Steg an der Rampe.
Ob das Auto anspringt und die Bremsen nicht festgerostet sind, habe ich schon gestern Abend ausprobiert. Die Rampe ist steil. Gruselig, diese Handbremse, die nur mit einem Taster bedient wird. Ein ordentlicher mechanischer Handbremshebel wäre mir jetzt tausendmal liber. Obwohl die Vorderräder schon auf dem Holz der Rampe stehen kann ich das Boot rausziehen, ohne dass die Räder durchdrehen.
Wieder ist ein Bootsurlaub zu Ende. Wir haben viel gesehen, bekanntes und auch viel Neues. Trotzdem gibt es auch hier in der westlichen Ostsee vieles, was wir noch nicht kennen. Mal sehen, wohin die nächste Reise geht.

Boot

Typ: FAM
Länge über Alles: 5,40 m
Breite über Alles: 2,05 m
Tiefgang ohne/mit Schwert: 0,3/1,1 m

Segelfläche:

Großsegel: 10,7 Quadratmeter
Fock: 4,5 Quadratmeter
Genua: 8,3 Quadratmeter

Verdrängung:
Boot: 435 kg
2-3 Personen, 1 Hund: 200 kg
Gepäck: etwa 120 kg
Gesamt: etwa 755 kg

Motor: Außenbord, 4 PS, Zweitakt, 2,8 Liter Einbautank

Elektrik:

Batterie: 12V, 12Ah
Ladung über Solarpanel: 20W, Fläche 40 cm * 40 cm und Lichtspule: 60W
BSH-Beleuchtung (Zweifarblaterne, Hecklicht, Toplicht)
4W Leuchtstoffröhre zur Kajütbeleuchtung
für diverse Ladegeräte (Handy, Kamera, Laptop, Funk) ein selbst gebauter Rechteck-Wechselrichter

Törndaten

Gesamtstrecke: 419 Seemeilen
gesegelte Strecke: 165 Seemeilen
Strecke unter Motor: 254 Seemeilen
Benzinverbrauch: 81 Liter